Jung und selbstständig

von Nadine Schmidhammer
Lesezeit: 6 min
Auf eigenen Beinen zu stehen, ist ein Traum, den viele Menschen hegen, auch sehr junge. So schön die Erfüllung ebendieses Traums sein kann, selbstständig zu sein bedeutet auch, ständig selbst für alles verantwortlich zu sein.

Ich stelle mir das Ganze schwierig vor. Schön, aber schwierig. Als ich in der letzten Zeit, nun schon in den letzten Jahren, um genau zu sein, bemerkt habe, dass sich in meinem Umfeld Gleichaltrige selbstständig machen, blieb mir der Mund offen stehen. Wie machen die das bloß? Also habe ich gefragt.

Von Jakob H., der sich in der Ausbildung zum Unternehmer befindet, höre ich Wörter wie „Geschäftsidee“, „Genehmigungen“, „Businessplan“, „Betriebswirtschaftslehre“ und „Investitionsplanungen“. Meine leise Vorahnung scheint bestätigt: komplizierte Sache.

Im Austausch mit zwei jungen Menschen, die den Schritt schon gewagt haben, schwingt etwas ganz anderes mit: viel Emotion. Wir sprechen über Höhen und Tiefen, Erfolgserlebnisse und Krisen und darüber, wie es sich für sie anfühlt, beruflich auf eigenen Beinen zu stehen. Bei einem der beiden steckt diese Emotion schon im Namen des Unternehmens. „Emi Massmer Emotions“ ist in Südtirol vielen Leuten ein Begriff. Emi M. filmt und fotografiert auf Hochzeiten und verschiedensten Events, mit Betonung auf dem Plural. Alles läuft professionell ab und er gibt zu, bereits von Beginn an in diesem Metier ernst genommen worden zu sein. Er verdient gutes Geld, er hat das Sagen. Ein Punkt, auf den jene von uns, die sich ihre Zukunft in der Arbeitswelt auch ohne einen Vorgesetzten vorstellen, deutlich länger hinarbeiten müssen und an den nicht einmal jeder unbedingt kommt. Für Hannah M., die in Wirklichkeit anders heißt, hier aber nicht genannt werden will, gelten diese Errungenschaften ebenso.

Bei beiden Selbstständigen stand am Anfang die Kreativität. Sie erzählen von Verwandten oder Freunden, von denen sie aufgefordert wurden, ihr Talent zu teilen. Bei Hannah war es zunächst die Mutter, die sie als Schneiderin inspirierte, Puppenkleider zu nähen, die Verwandte dann auch für die eigenen Nicht-Puppen-Kinder haben wollten.  Bei Emi waren es Freunde, die um sein fotografisches Talent bei ihrer Hochzeit baten. So wurde das Hobby schleichend zur Profession.

Auch wenn es am Anfang noch ein zweites finanzielles Standbein braucht oder zumindest einiges an familiärer Unterstützung, wie beide erzählen, heißt es bei der Schneiderin Hannah dennoch: „Wenn es länger schon in deinem Kopf herumschwirrt, dann mach es.“ Klingt für mich leichter gesagt als getan.

Von Jakob höre ich aus der pragmatischen Ecke, dass er zwar schon auch selbstständig werden möchte, aber davor sammelt er erst einmal in verschiedenen Unternehmen und bei unterschiedlichen Dienstleistern Erfahrung. Dann erst will er durchstarten. Meiner Hypothese, dass immer mehr junge Leute es aber eben nicht langsam angehen lassen und ins kalte Wasser springen, dass es einen Aufwärtstrend in puncto Jungunternehmer:innen gibt, muss er trotzdem zustimmen.

Während ich mich bei ihm über die ersten Schritte informiere – Erarbeitung einer guten Geschäftsidee, Analyse des Marktes mit Stichwörtern wie Angebot und Nachfrage, Einholen von Informationen über Rechtsnormen, Termin beim Steuerberater –, spreche ich mit denen, die bereits ein Unternehmen haben, über Erfolgserlebnisse. Das erste Mal auf dem Weihnachtsmarkt das eigene handwerkliche Geschick der breiten Öffentlichkeit präsentieren, ein Lächeln auf dem Gesicht von Kund:innen, auf Veranstaltungen erkannt werden oder inspirierende neue Menschen kennenzulernen. Mir geht das Herz auf.

Es klingt alles so schön. Es klingt bei ihnen so einfach, fast so, als könnte ich mich auch morgen hinsetzen und mein Unternehmen gründen; womit, weiß ich noch nicht. Meine Wunschdenken findet ein jähes Ende, als wir dann über ihre Tipps für angehende „Selbstständler und Selbstständlerinnen“ zu sprechen beginnen.

Man solle sich schon gut überlegen, ob es sich bei der Tätigkeit, was immer sie dann auch sein mag, nur um ein Hobby handelt. Um eine vorübergehende Laune, einen kurzweiligen Zeitvertreib. Denn, die Verantwortung, die das Selbstständigsein erfordert, gibt es nicht her, sich nur halbherzig mit der Sache zu beschäftigen. Damit falle ich mit meiner noch nicht einmal entstandenen Geschäftsidee schon gleich weg. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man, besonders am Anfang, einiges im Voraus geben muss und sehr viel für sehr wenig macht, um sich zu etablieren. Ein diszipliniertes, stressresistentes Wesen muss man haben. Und Geduld braucht es auch. Geduld höre ich viel, von allen dreien. Müssen, müssen, müssen… Und was darf man?

Flexible Zeiteinteilung. Als Selbstständiger kann man sich seine Termine getrost selbst einteilen. Wie gut dies allerdings bei jungen Leuten, die noch hoch hinaus wollen, funktioniert, lässt sich schwer einschätzen. Dass man da auch mal leger mit Nachfragen umgeht und dass man sich tatsächlich so unbeschwert die Zeit einteilt, glaube ich kaum.

Man kann jedoch meist seine Wünschen, im Fall meiner beiden Selbstständigen die eigene Kreativität, frei ausleben und sich in dieser Hinsicht stetig verbessern. Bei einer derart intensiven Beschäftigung erfährt man sicherlich viel über sich selbst und bekommt einen Einblick in verschiedenste Bereiche, die das Selbstständigsein tangieren. Vor allem das Wissen darüber, was hinter einer Dienstleistung steckt, ist eine große Bereicherung. Der Punkt, auf den alle gewartet haben, kommt natürlich auch noch: Man ist sein eigener Chef. Klingt gut, doch Emi erklärt: „Das ist Fluch und Segen zugleich.“

„Es Radl in Kopf drahnt sich ollaweil“

Neben dem Scheitern im großen Stil, nämlich, wenn ein Unternehmen aufgrund falscher finanzieller Kalkulationen oder niedrigem Marktwert einfach dahingerafft wird, spielt die persönliche Ebene besonders für junge Selbstständige eine große Rolle. Was macht es mit der Psyche, wenn man den Kopf nie frei bekommt? Es braucht Platz für andere Dinge im Leben, Platz für Freizeit, Platz für Freunde, Platz für Partys. Und dabei sollte man nicht ständig aufs Handy schauen müssen, ob sich diese oder jene Kundschaft gemeldet hat.

Dieser Punkt scheint für beide eine große Herausforderung gewesen zu sein, hauptsächlich am Beginn. Es fällt schwer, wenn man gerade dabei ist, ein wichtiges Ziel zu erreichen, auch einfach mal abzuschalten. Doch man muss. Das Ich, seelisch wie körperlich, darf bei der Arbeit nicht untergehen. Sich selbst eine bestimmte Anzahl an Stunden vorzunehmen und diese möglichst einzuhalten, sie insbesondere nicht regelmäßig zu überschreiten, höre ich als Lösungsansatz. Ich gehe aber davon aus, dass das Gelingen dieses Vorhabens wohl unterschiedlich erfolgreich ist. 

Beide sprechen nicht darüber, dass sie stolz auf ihr Unternehmen wären oder auf das, was sie so jung schon geleistet haben. Erst auf ein spezifisches Nachbohren gehen sie zögerlich ein: „Ja schon stolz, doch, doch.“ Emi meint, dass es schon schön ist, sein eigenes Geld in der Tasche zu haben, in einem Alter, in dem einige noch Mutti um Taschengeld bitten müssen. Auch positives Feedback macht stolz, lieber jedoch würde er mit anderen zusammenarbeiten und das Lob mit ihnen teilen.

Summa summarum sind neben den vielen positiven Dingen, der Freude und den großen Gefühlen auch die Schwierigkeiten zu bedenken, Schattenseiten möchte ich sie gar nicht nennen. Es gilt gut zu überlegen, wie viel von seiner Jugend man hergeben möchte. „Arbeite, strebe, aber lebe!“

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