Die Not der fliegenden Campus-Händler

von Tobias Jakober
Lesezeit: 4 min
Sie verkaufen gebrauchte Bücher, Poster oder Schallplatten auf dem Campus. Wir haben uns erkundigt, wie es den fliegenden Händlern geht, wenn sie notgedrungen am Boden bleiben müssen. 

Eines Morgens kommt man an die Uni und da sind sie: Verkaufsstände mit einer großen Auswahl an Büchern, Postern, Geschenkartikeln und allem, was das studentische Herz begehrt und das Geldbörserl verträgt. Für diejenigen, die zum Campus nicht früher schon aus Prinzip einen Sicherheitsabstand eingehalten haben, gehörten sie zum gewohnten Bild der Universität. Die allerjüngsten Semester unter uns haben sie nie kennengelernt.

Den Campus-Händlern ist ohnehin kein einfaches Leben beschert, die Verwaisung der Universitäten droht nun einem ganzen Geschäftsmodell den Garaus zu machen. 

In der Welt von Gestern

In der Welt, wie wir sie kannten, würden die Routen des deutschen Posterverkäufers Close Up durch Österreich, Deutschland und sogar bis nach Slowenien führen. Kleine Teams von freien Mitarbeitern reisen in jedem Semester quer durchs Land und klappern dabei alle größeren Hochschulen in Österreich ab. Auch die Universität Innsbruck wird zweimal im Jahr besucht, jeweils einmal im Winter- und im Sommersemester. Ein Vertrag mit der Universität muss bestehen, Standgebühren sind zu entrichten und diverse Sicherheitsauflagen zu erfüllen. Mehrere Tage lang werden dann die Lager an einem Standort aufgeschlagen. In Innsbruck ist der Posterverkauf gleich an drei Standorten vertreten, am Campus Innrain, der Technik und an der SoWi. Das Reiseprogramm der Teams von Close Up ist intensiv. Jeweils über drei Monate hinweg ist man ohne Pause ständig auf Achse und auf den Beinen.
Das Jahr 2019 brachte dem Unternehmen einen großen Wachstumsschub und die Verkaufsteams damit an ihre Leistungsgrenzen – alles lief bereits auf 110 %. Es wurde an Expansionen mit Partnern in den BeNeLux-Ländern und in Spanien gearbeitet, insgesamt fünf Teams waren in Europa verstreut unterwegs.

Der Verkauf von Postern an den Universitäten ist jedoch nicht das einzige Standbein des Unternehmens. Close Up betreibt in manchen größeren Städten Deutschlands eigene Shops, sie bieten Verkaufssysteme für andere Läden, verkaufen über diverse Onlineplattformen und führen auch einen eigenen Webshop. 

Das Antiquariat Hörandner aus Oberösterreich besucht Innsbruck etwa alle sechs Wochen. Der Inhaber Erwin Hörandner macht sich selbst mit seinem Anhänger voller Bücher auf den Weg und verbringt hier einige Tage. Er ist normalerweise für jeweils zwei bis drei Tage am Campus Innrain zu finden. Hörandner ist auch an deutschen Universitäten unterwegs, in Österreich jedoch nur in Innsbruck anzutreffen. Früher besuchte er auch andere österreichische Standorte, aber auch für ihn stellen die Standgebühren der Universitäten oft ein Hemmnis dar, die den Aufwand wenig lukrativ machen. Seine Ladengeschäfte hat Erwin Hörandner bereits vor Jahren geschlossen und vertreibt seitdem vor allem über das Internet und eben an den Universitäten.

Ausnahmezustand

Das Jahr 2020 kam anders als gedacht. Kurz nach dem Beginn des Semesters im März schlossen die Universitäten ihre Tore. Noch in der ersten Woche des Sommersemesters war ein Team von Close Up an der Hochschule in Klagenfurt vertreten. Die weitere Tour durch Österreich war bereits genauestens geplant, der Lockdown machte diesen Vorbereitungen dann aber ganz schnell einen Strich durch die Rechnung. Das Antiquariat Hörandner hatte seinen letzten Tag an einem Campus bereits Ende des Jahres 2019. 

Wie viele andere Branchen wurden auch die Campus-Händler hart vom Lockdown getroffen. Bei Close Up aus Deutschland ging es nicht bloß um den Posterverkauf an Universitäten, sondern auch um ihre eigenen Läden. Dank Kurzarbeit konnte die Existenz des Unternehmens bisher gesichert werden. Die Mitarbeiter für den Campus-Posterverkauf standen jedoch von einem Tag auf den anderen ohne Arbeit da. Bei freien Mitarbeitern ist da nichts mit Kurzarbeit – nach einer kleinen Unterstützung aus dem Corona-Härtefallfond blieb nur noch der Gang zum Arbeitsamt.

Auch das Antiquariat Hörandner konnte Mittel aus dem Härtefallfonds beziehen. Zwar konnten die entgangenen Einnahmen dadurch nicht abgedeckt werden, man behalf sich aber zusätzlich damit, den Onlineverkauf weiter zu forcieren.

 

© Erwin Hörandner

Das Antiquariat Hörandner am Campus Innrain

Trübe Aussichten

Gerne würden die Händler wieder an die Universitäten zurückkehren. Wann es jedoch so weit sein wird, steht in den Sternen. Es muss natürlich wieder eine ausreichende Frequenz auf dem Campus gegeben sein, damit sich ein Verkauf überhaupt rentiert – mit zwei, drei Seminaren in Präsenz wird es nicht getan sein.

Patrik Riess von Close Up befürchtet außerdem, ein Verkauf auf dem Campus werde in der Zukunft für die Aussteller mit weiteren Auflagen verbunden sein, welche das Geschäft schlicht unmöglich machen würden. Auf die Wunderwaffe Impfung setzt er nicht allzu große Hoffnungen, die Gruppe der Studierenden käme wohl als allerletzte dran. Zum einen würden sie meist nicht zur Risikogruppe gehören und zum anderen hätte sich das Distance-Learning an den Hochschulen ja mehr oder weniger etabliert. 

Erwin Hörandner sieht auch für seine Branche auf längere Sicht keine große Zukunft. Kaum noch jemand nimmt den Aufwand auf sich, den ein rollendes Antiquariat mit sich bringt. Ihm selbst bereitet die Arbeit Freude und wenn er darf, wird er so lange weitermachen, wie er Bücher im Lager hat.

Website: www.closeup.de 

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