Mein Titel ist besser als deiner

von Sharif Shehata
Lesezeit: 3 min
Vom Ingenieur bis zur Forsträtin honoris causa. Wenn das Ego zu klein ist, muss ein Titel her.

Wer in seinem Freundeskreis Studierende verschiedenster Fachrichtungen hat, wird mit Sicherheit schon die ein oder andere „Titeldiskussion“ geführt haben. Da werden dann BWLer von Naturwissenschaftlern schief angeschaut, wenn sie erwähnen, dass ihr Studium mit einem Bachelor of Science abschließt. Und die Geisteswissenschaftler unter uns stehen mit ihrem Bachelor of Arts sowieso ganz unten in der Nahrungskette der Titellandschaft. Auch wenn die beschriebenen Szenarien in der Realität meist mit einem Augenzwinkern stattfinden: Die Versessenheit auf den (zukünftigen) Titel hat in Österreich lange Tradition.

Das Land der Titel

Um diese eigentümliche Vorliebe für Titel zu ergründen, lohnt es sich, einen Blick in die Geschichte zu werfen. So war das Land in Habsburger-Zeiten noch derart groß, dass der Staat nur durch eine starre Hierarchiestruktur effizient arbeiten konnte. Gerade in der öffentlichen Verwaltung gibt es daher nach wie vor etliche Amtstitel, die Bund und Länder vergeben können. Eines dieser noch heute existierenden historischen Beispiele ist der „Hofrat“. Obwohl die Monarchie längst Geschichte ist, bekommen leistungsfähige Verwaltungsbedienstete noch heute diesen Titel verliehen. Fun Fact: In Österreich gibt es rund 900 akademische und berufliche Titel, was in Relation zur Einwohnerzahl so viele sind, wie in kaum einem anderen Land auf der Welt.

Das denken die Betroffenen

Was Studierende der Uni Innsbruck von akademischen Titeln im Allgemeinen halten und ob auch der Bachelor für sie ausreicht, erfuhren wir von Luca (Architektur) und Valerian (Politikwissenschaft):

Ist dir dein zukünftiger akademischer Titel wichtig?

Valerian: Ich glaube ich wäre erst nach einem Doktor/PhD wirklich stolz auf meinen Titel. Ein Bachelor ist meiner Meinung nach nicht sehr aussagekräftig. Er bezeugt nur, dass man sich in einer bestimmten Disziplin einen soliden Grundstock an Wissen angeeignet hat. Nach einer Promotion hingegen hat man tatsächlich Wissen geschaffen.

Luca: In meiner Familie bin ich der Erste, der studiert. Mir wurde die Einstellung mitgegeben, dass es das wichtigste ist, einen erfüllenden Beruf zu finden. Daher ist es mir recht egal, was für einen Titel ich zukünftig haben werde. Ich weiß, dass mir das Architekturstudium sehr gut gefällt und ich Skills erlerne, die später ganz nützlich sein werden.

Wird in der Gesellschaft zwischen Titeln unterschieden?

Valerian: Mir erzählten Freunde, die bereits den Bachelor of Arts besitzen, dass sie in der Gesellschaft im Vergleich zu Bachelors of Science (BSc) definitiv weniger Wertschätzung erfahren. Der BSc wird ja hauptsächlich in Naturwissenschaften vergeben und die befassen sich eben mit zum Teil greifbaren Phänomenen. Das ist für den Durchschnittsbürger einfach wertvoller als die doch eher abstrakten Erkenntnisse der Geistes- und Sozialwissenschaften.

Luca: Wenn ich das auf mein Studium beziehe, sehe ich das überhaupt nicht so, dass man unbedingt einen Master braucht. Es gibt mit Architektur viele Möglichkeiten, auch nur mit dem Bachelor in den Beruf einzusteigen. Wir eignen uns viele Fähigkeiten an, mit denen man sogar in scheinbar fachfremde Bereiche gehen kann, wie zum Beispiel ins Grafikdesign.

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