Der Abtritt von Daniel Müller von der Aktionsgemeinschaft (AG) ging bei der letzten UV-Sitzung am 6. Dezember (UNIpress berichtete) nahtlos über in den Antritt von Anna Fill (ebenfalls AG) als neue Vorsitzende. Wie kam es zu diesem Wechsel? Was dürfen wir von der Nachfolgerin erwarten? Darum ging es im UNIpress Interview.
UNIpress: Angeblich sind Leute in Führungspositionen weit häufiger narzisstisch als der Durchschnitt – wer von euch beiden ist ein Narzisst?
Beide: (lachen)
Daniel Müller: Ich glaube, der Spagat ist immer sehr schwierig. Auf der einen Seite bist du jemand, der Budgethoheit über 1,6 Millionen, im Alter von 21 eigene Mitarbeiter und einen Lehrling hat, den er ausbilden muss; auf der anderen Seite bist du einfach ein ganz normaler Student, wie jeder andere auch. Dieser Spagat ist oft schwierig, und deswegen mag es nach außen hin manchmal so wirken, als wäre man narzisstisch, obwohl man es gar nicht ist.
UP: Und warum willst du dir diese ganze Arbeit antun, Anna?
Anna Fill: Weil ich es schön finde, sich für die Studierenden einzusetzen und sehen zu können, was man bewirkt. Gerade das aktuelle Projekt mit dem Zuschusstopf für Psychotherapie zeigt, dass wir Studierenden, die in der Corona Pandemie sehr gelitten haben, etwas zurückgeben können – das ist mit das Schönste an dem Job.
UP: Wenn es doch so schön ist, warum hast du dich dann zum Rücktritt entschlossen, Daniel?
Daniel: Ich war 20 Monate im Vorsitz. Das ist wirklich ein 40-Stunden-Job – und finanziell wird man nicht wie 40 Stunden entlohnt, das heißt, ich muss daneben auch arbeiten. Wenn man das so lange macht, ist es irgendwann schwierig, Arbeit, Studium und ÖH unter einen Hut zu bekommen und auch noch ein Sozialleben zu haben. Sobald ich wusste, dass die Anna wirklich motiviert dazu ist, war es für mich klar, dass es an der Zeit ist, das zu übergeben. Ich bereue das keine Sekunde, genauso wenig wie ich bereue, Vorsitzender gewesen zu sein, weil das ein unglaublich schöner Job war.
UP: Was hättest du im Rückblick gesehen anders gemacht während deiner Amtszeit?
Daniel: Ich glaube, ich hätte das Augenmerk mehr darauf legen sollen, was nach außen dringt, also mehr auf Öffentlichkeitsarbeit. Als Vorsitzender ist man Chef von den Mitarbeitern man muss alle 66 Fakultäts- und Studienvertretungen koordinieren – das ist ganz viel interne Arbeit, die niemand sieht. Das ist das Problem bei der ÖH, deswegen ist, glaube ich, die Wahlbeteiligung auch so gering.
UP: Wirst du weiterhin bei der AG oder der ÖH aktiv sein?
Daniel: Das schon. Sich für andere einsetzen ist irgendwo in mir verankert. Das wird man nicht vom einen auf den anderen Tag ablegen. Es braucht unbedingt Leute, die sich dafür einsetzen, dass es den Studierenden innerhalb und außerhalb der Uni besser geht. In welcher Form das sein wird, habe ich noch nicht genau überlegt. Ich befinde mich gerade in einer Phase, wo ich mir ein bisschen ÖH-/AG-Detox erlaube. Wenn meine Batterien wieder voll aufgeladen sind, wird sich zeigen, was kommt.
UP: Wie ist es dazu gekommen, dass du Daniels Nachfolgerin wirst, Anna?
Anna: Ich habe schon seit Herbst 2021 im bildungspolitischen Referat an der ÖH tätig sein dürfen und bereits in dieser Funktion die ÖH-Struktur kennengelernt. Zudem war ich im Senat tätig, das heißt, ich habe schon viel Internes von der Universität mitbekommen. Da habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, die Interessen von Studierenden uni-intern und auch nach außen zu vertreten.
UP: Wie funktioniert so ein Übergang? Gibt es da demokratische Mechanismen in der AG?
Daniel: Spannend fand ich, dass es in den Medien manchmal so dargestellt wurde, als hätte mich die Anna abgesägt. Das ist natürlich totaler Schwachsinn. Bei uns funktioniert das so: Ich habe zuerst mit dem AG-Vorstand gesprochen und verkündet, dass es für mich an der Zeit ist, das Amt an jemand anderen abzugeben. Da hatte ich die Anna schon im Kopf und habe sie vorgeschlagen.
Wenn es jemanden im Verein gegeben hätte, der nicht mit Anna als meiner Nachfolgerin einverstanden gewesen wäre, dann wäre das auch nie so passiert. Es war durch und durch eine demokratische, wenn nicht sogar basisdemokratische Entscheidung, es darf niemand ernsthafte Bedenken haben.
UP: Ihr studiert ja beide Jus und Wirtschaftsrecht. Woher kommt diese Dominanz von Jus-Studenten in der AG und auch an der ÖH?
Anna: In der ÖH kommt das sicher davon, dass wir viel mit Studienrecht zu tun haben. Da hilft es einfach, wenn man ein grundlegendes Rechtsverständnis hat. Auch im Studium gibt es viele Inhalte, die auf die politische Dimension abzielen und wo einem aufgezeigt wird, welche Möglichkeiten man hat, sich aktiv einzubringen.
In der AG gibt’s den Jus-Überhang tatsächlich nicht. Wir sind da sehr ausgewogen von nahezu allen Fakultäten und Standorten.
Daniel: Es gibt natürlich ein paar Fakultäten, die weniger vertreten sind, und einige, die mehr vertreten sind. Aber wie Anna schon angesprochen hat, hat man bei Jus einen sehr politischen Einschlag beim öffentlichen Recht. Wir haben mit Gesetzen zu tun, da ist es schon naheliegend, dass man als Jurist zur ÖH oder AG geht. Außerdem ist die ÖH am Ende des Tages ein großer Wirtschaftsbetrieb und da liegt es in der Natur der Sache, dass man beispielsweise eher einen Hang zu Wirtschaft hat, wenn man Wirtschaft studiert sowie dass man eher einen Hang zum Juristischen hat, wenn man Jus oder Wirtschaftsrecht studiert.
UP: Was hast du als neue Vorsitzende vor? Gibt es schon konkrete Ideen?
Anna: Es gibt einige Projekte, wo Daniel als mein Vorgänger schon tatkräftig dabei war, die ich dann schlussendlich gerne realisieren würde. Aktuell wäre das der Zuschusstopf für Psychotherapie, dessen Anträge gerade am Anlaufen sind. Dieser erfreut sich schon jetzt großer Beliebtheit.
Des Weiteren wird im kommenden Sommersemester, weil es ein Wahlsemester ist, der Fokus darauf gelegt werden, unsere Arbeit öffentlichkeitswirksamer zu gestalten und dass diese wirklich direkt bei den Studierenden ankommt.
UP: Gibt es etwas, was du deiner Nachfolgerin besonders ans Herz legen würdest, Daniel?
Daniel: Ja. Nie vergessen, warum man es macht.