Professorin Veronika Sexl ist seit 1. März 2023 als neue Rektorin der Universität Innsbruck aktiv. Die gebürtige Wienerin hat schon lange einen Bezug zur Region und ist begeistert, die Tiroler Institution mit weiterentwickeln zu können. Sie hat große Pläne, aber auch viel Respekt für die bis jetzt geleistete Arbeit. Ihr primäres Ziel: Studierende für ihren Studienort zu begeistern.
UNIpress: Sehr geehrte Frau Professorin Sexl, was, als neue Rektorin, ist Ihre Vision für die Zukunft der Universität Innsbruck?
Veronika Sexl: Mein größter Wunsch ist es, eine gute Rektorin zu sein. Natürlich haben Universitäten vor allem sehr große Aufgaben in der Forschung und in der Lehre, aber auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung und eine Verpflichtung, universitäres Wissen an die Gesellschaft weiterzugeben. Wir leisten hier bereits einen großen Beitrag, beantworten Fragen und verstehen unseren Bildungsauftrag sehr weit als Dienst an der Gesellschaft. Und genau in diesem Bereich wollen mein Team und ich weitere Schritte setzen. Gerade für Studierende sind hier die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung sowie die Herausforderungen und Chancen rund um die künstliche Intelligenz interessante Themen. Generell ist es unser Ziel, unsere Studierende auf jeder Ebene und in jeder Hinsicht möglichst gut auszubilden, um ihnen die Chance zu eröffnen, sich mit ihrem Wissen in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen.
UP: Mit welchen Problemen werden Sie hierbei konfrontiert?
Sexl: Eines der größeren Probleme ist hier sicherlich die zunehmende Wissenschaftsskepsis. Wir müssen unser Wissen vermehrt in die Gesellschaft hinaustragen, aber auch erklären, wie das Wissen entsteht und wie Wissenschaft funktioniert.
UP: Was macht die Universität Innsbruck “großartig”?
Sexl: An dieser Stelle würde ich gerne sagen, dass ich dem alten Rektoratsteam sehr dankbar bin. Es hat mir eine großartige Universität übergeben. Die es jetzt weiterzuentwickeln gilt! Ich finde hier besonders schön, dass Studierende die Möglichkeit haben, die Volluniversität zu nützen, quer zu denken und sich quer auszubilden – das ist der alte Universitätsgedanke. Wir haben 16 Fakultäten, das ist eine enorme Breite. Und ich glaube, dass Studieren weit mehr sein sollte und weit mehr ist, als ein Studium sozusagen stur durchzuziehen. Dazu bieten wir neben den klassischen Studien auch eine wachsende Zahl von Zusatzmöglichkeiten, um sich in speziellen Wissenschaftsbereichen zu vertiefen. Die Zeit des Studiums muss man nützen, um sich auszuprobieren, zu interagieren und in den Diskurs einzutreten.
UP: Wo sehen Sie Raum dafür?
Sexl: Vor allem durch Wahlfächer. An der Universität Innsbruck haben Studierende die Möglichkeit, in einem gewissen Bereich über den Tellerrand zu blicken und die Institution in ihrer gesamten Breite zu nützen. Das ist großartig und etwas, das ich sehr gerne ausbauen würde.
UP: Wie würden Sie da herangehen?
Sexl: In dem wir innerhalb der Studiengänge flexiblere Elemente einbauen. Sofern das möglich ist! Das ist dann natürlich eine Aufgabe für den Vizerektor für Lehre und Studierenden, für den Senat sowie die entsprechenden Curriculums-Kommissionen. Aber ich würde die Idee sehr stark befürworten und bei der Umsetzung bestmöglich unterstützen.
UP: Warum?
Sexl: Eines finde ich ganz wichtig für Studierende: die Welt in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Wenn man’s so primitiv sagen kann. Und es geht ja nicht nur um Wissensvermittlung.
UP: Sondern?
Sexl: Es geht auch darum, Fragenstellen zu lernen, Hinterfragen zu lernen, Muster zu erkennen und Querverbindungen. Und was mir wichtig ist, ist ein Klima zu schaffen, in dem die offene und kritische Diskussion möglich ist – freudvoll und begeistert. Ich bin daher auch eine große Anhängerin der Präsenz-Universität, weil ich davon überzeugt bin, dass Studieren nicht nur reine Faktenvermittlung ist. Sondern, dass es dabei um viel viel mehr geht – ganz besonders darum zu verstehen und kritisch zu hinterfragen.
UP: Was können Studierende vom Präsenz-Unterricht gewinnen?
Sexl: Ich glaube, dass der Dialog, die Auseinandersetzung zwischen den Studierenden, aber besonders auch mit den Professoren, enorm wichtig ist. Gespräche von Angesicht zu Angesicht haben einen hohen Stellenwert, weil sie mehr Aufmerksamkeit benötigen und authentischer sind. Zumindest habe ich das in meiner eigenen Studienzeit so erlebt. Man nimmt ja nicht nur die Fakten mit. Man nimmt so viel mehr mit – für die Persönlichkeitsbildung und für die Fähigkeit, in Prozessen zu interagieren oder diese zu beeinflussen. Das Leben ist ein permanenter Prozess. Und man kann sich an einer Universität unglaublich viel dafür abholen.
UP: Gibt es Angebote im sozialen Bereich, die an der Universität Innsbruck noch fehlen?
Sexl: Die Frage möchte ich eigentlich an die Studierenden zurückspielen. Wichtig wäre sicher, mehr Platz, also zusätzliche freie Begegnungszonen, am Campus zu schaffen. Wo genau dieser Austausch stattfinden kann, über die Seminarräume und die Hörsäle hinaus! Ich will die Studierenden im Rahmen der Möglichkeiten dabei unterstützen, sich transdisziplinär auszutauschen. Aber, wie gesagt, will ich auch von ihnen hören: Was hätten sie gerne? Was wollen sie? Was brauchen sie?
UP: Sollte sich Österreich – vor allem die Universität Innsbruck – von anderen pädagogischen Institutionen oder Ländern als Ganzes inspirieren lassen?
Sexl: Ui, das ist schwierig. Jede Universität ist sozusagen in ihrem jeweiligen kulturellem Kontext eingebunden. Man kann sich hier nicht einzelne Versatzstücke herauslösen und isoliert betrachten. Ich war viel international unterwegs und kenne daher viele verschiedene Systeme und Strukturen. Und alle haben ihre Vor- und Nachteile. Das ist ganz klar. Aber ich finde, dass wir hier in Österreich, mit unserem freien Universitätszugang, ein wirklich gutes System leben. Dass man ohne große zusätzliche Kosten wie Studiengebühren ein Studium absolvieren kann, ist ein riesiger Vorteil.
UP: Und wo sehen Sie Verbesserungsbedarf an der Universität Innsbruck?
Sexl: Naja es gibt Dinge, die hätte ich natürlich gerne anders. Aber das betrifft nicht allein die Universität Innsbruck, sondern unsere Gesellschaft als Ganzes. Ein Beispiel dafür wäre die Frauenförderung. Da können wir durchaus besser werden. Ein weiterer Punkt ist die Bildungsförderung. Grundsätzlich wäre mir wichtig, dass Bildung einen hohen Stellenwert in Österreich bekommt, Bildung nicht von den wirtschaftlichen Möglichkeiten abhängt und die Förderung möglichst früh in der Entwicklung ansetzt.
UP: Wie kann die Universität Innsbruck dazu beisteuern?
Sexl: Wir müssen diese wichtigen Punkte immer wieder nach außen kommunizieren. An der Universität Innsbruck gibt es großartige Forschung. Was hier alles geleistet wird, wird aber viel zu wenig bekannt. Unser Wissen gesellschaftlich besser zu nutzen, nutzbarer zu machen, mehr zur Verfügung zu stellen, ist ein großes Anliegen meinerseits. Das könnten wir auf verschiedensten Ebenen machen. Wir müssen die Studierenden gut ausbilden, wir müssen unsere forschungsgeleitete Lehre optimieren – damit sind wir große Stützen. Dabei sind unsere Absolventen Botschafter für die Universität Innsbruck.
UP: Wie sind Sie persönlich auf die Universität Innsbruck gekommen?
Sexl: Ich habe schon sehr lange einen Bezug zu Innsbruck. Sowohl mit der LFU als auch mit der Med-Uni. Dadurch habe ich die Stadt kennen und lieben gelernt. Die ganze Region eigentlich.
UP: Und haben Sie das Gefühl, dass Sie bis jetzt gut willkommen geheißen wurden?
Sexl: (lächelt) Absolut. Es ist ein wirklich schönes Willkommen gewesen bis jetzt. Ich bin gerührt. Ich durfte schon viele Mitarbeiter kennenlernen – viele Tiroler. Ich freue mich wirklich riesig, hier zu sein. Und auf die nächste Zeit an der Universität Innsbruck.
UP: Man sollte sich also ermutigt fühlen, die Universität Innsbruck als Studienort aufzusuchen?
Sexl: Auf jeden Fall. Natürlich können wie – wie bereits gesagt – unser System noch an manchen kleinen Dreh- und Angelpunkten besser machen. Aber wir haben über unsere 16 Fakultäten hinweg ein sehr buntes und vielfältiges Studienangebot. Meine Bitte an die Studierenden: Nutzt die Möglichkeiten, die Ihr habt. Sie sind großartig!
UP: Wie viel Verantwortung liegt bei den Studierenden, um sicherzustellen, dass sie die bestmögliche Erfahrung machen?
Sexl: Universität sind wir alle. Je begeisterungsfähiger Studierende sind, desto mehr können sie mitnehmen. Gestalten Sie die Universität mit! Das würde meiner Meinung auch das mit sich bringen, was ich den bisherigen Gesprächen mit den Studienvertretern entnommen habe: Sie wollen stolz auf die Universität Innsbruck sein. Stolz kann man auf etwas sein, an dem man mitarbeitet oder mitgearbeitet hat.
UP: Was halten Sie von Prüfungen als aktuell standardisierter Methode zur Wissensüberprüfung?
Sexl: Das ist eine komplexe Frage. Aber auch hier sind wir in einem Transformationsprozess und es wird sicher nicht alles ewig so bleiben wie es war. Allein die künstliche Intelligenz wird uns zwingen, neu zu denken. Ich finde das unglaublich spannend, was sich hier auftut. Und Veränderung ist immer beides: Risiko und Chance. Ich sehe hier eher die Chancen und es ist doch grundsätzlich etwas Positives, wenn man neue Möglichkeiten bekommt und diese gut nützt.