Forever Young

von Hannah Mayer
Lesezeit: 4 min
Unsere Gesellschaft fetischisiert die Jugendlichkeit von Frauen. Noch immer werden sie nach ihrem Aussehen statt nach ihren Taten bewertet. Frauen, vor allem ältere, können dabei nur verlieren.

Mit sechs Jahren begann ich mir Sorgen über die Größe meiner Oberschenkel zu machen, schenkte den Models in den Zeitschriften, die meine Mutter herumliegen hatte, zu viel Aufmerksamkeit und plante Diäten, die ich in Zukunft ausprobieren wollte. Jetzt mache ich mir Sorgen über Falten, wenn ich mich im Spiegel betrachte und mich frage, ob meine Stirn- und Lachfalten tiefer geworden sind – und vergesse dabei, dass sie nur Zeichen der Jahre sind, die ich gelebt habe.

Zeit scheint für Frauen von entscheidender Bedeutung zu sein. Sie verfolgt uns vom Moment unserer Geburt an, macht uns anfällig für Marketingstrategien der Kosmetikindustrie und die Ablehnung und Selbstinszenierung unserer Körper.

Altersdiskriminierung ist ein Thema

Historisch gesehen waren jüngere Frauen aufgrund ihrer Fruchtbarkeit interessanter. Unverheiratete Frauen verloren mit zunehmendem Alter an Wert: Ihre Chancen, einen Partner zu finden, nahmen mit der Zeit ab.

Diese Missachtung älterer Frauen ist in der Gesellschaft auch heute zu beobachten, beispielsweise in der Tatsache, dass Frauen bessere Aussichten in der Arbeitswelt haben, wenn sie jünger aussehen. Alternde Frauen werden aus der Berufswelt verdrängt. Im Vergleich zu ihren jüngeren Mitbewerberinnen haben sie nicht die gleichen Chancen. Um sich wieder als Teil der Gesellschaft zu fühlen, kaschieren manche alle Zeichen des Alterns. Hier kommt die Kosmetikindustrie ins Spiel.

Anti-Aging als Marketingstrategie

Das Schönheitsideal wurde nicht von der Schönheitsindustrie geschaffen. Sie profitiert jedoch davon und fördert es in diesem Sinne weiter. Die Werbung für Anti-Aging-Produkte spielt gezielt mit Unsicherheiten. Der Begriff „Anti“ suggeriert, dass etwas schlecht ist und wir dagegen sein sollten.

Alterserscheinungen werden zwar von beiden Geschlechtern zunehmend als Problem empfunden, Frauen nehmen aber deutlich häufiger den Kampf gegen das Alter auf. Eine Studie der Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung (gik) zeigt, dass mehr Frauen Gesichtskosmetik kaufen und auch vielfach täglich anwenden. Dabei greifen sie auf eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte zurück. 58,4 Prozent der befragten Frauen gaben an, Antifaltencreme zu verwenden. Bei den Männern sind es im Vergleich dazu nur 23,2 Prozent. Für beide Geschlechter ist Werbung der entscheidende Kaufanreiz. Durch das ständige Vorführen wird das Schönheitsideal in den Köpfen der Menschen gefestigt.

Foto: Curology via Unsplash

Die Hautpflege-Marke Curology wirbt mit einer älteren Dame für ihr Produkt.

Vom Schönheitswahn profitiert auch die plastische Chirurgie. Sie ermöglicht es, den Körper nach Wunsch zu verändern. Im Jahr 2023 waren laut der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) 84,7 Prozent der Patientinnen und Patienten, die sich in Deutschland einer Schönheitsoperation unterzogen, Frauen. Auch nicht-chirurgische kosmetische Verfahren, bei denen Botox oder Hyaluron zum Einsatz kommen, liegen bei Frauen im Trend.

Ein unerreichbares Ideal

Doch nicht nur in der Werbung, sondern auch in den Medien sind wir – gewollt oder ungewollt – ständig dem Schönheitsideal ausgesetzt. Besonders große mediale Reichweite genießen normschöne Hollywood-Persönlichkeiten, die als Models für Werbespots gebucht oder als Markenbotschafter:innen eingesetzt werden. Doch Prominente sind die Verkörperung eines Schönheitsideals, das für die durchschnittliche Frau nicht in gleichem Maße erreichbar ist: Der Durchschnittsfrau mangelt es an Ressourcen wie Geld oder der Handynummer des berühmten Beauty Docs.

Photoshop, künstliche Intelligenz und Filter tragen dazu bei, ein unerreichbares Schönheitsideal zu schaffen und zu vermitteln. Es wird immer schwieriger, die Filter zu erkennen. Es ist einfacher geworden, Makel mit ein paar Klicks zu kaschieren. Wer viel Medien konsumiert, verliert den Bezug zur Realität und vergleicht sich schneller mit anderen auf Instagram und Co. Man wird unzufriedener mit sich selbst und anfälliger für die Marketingfallen der Kosmetik- und Schönheitsindustrie.

Frauenkörper sind politisch

Die (vermeintliche) Jugendlichkeit der Frau spielt immer eine Rolle. Vor allem, wenn es darum geht, aus dem weiblichen Körper Profit zu schlagen, sei es als Konsumentin oder als Produkt. Zur Frau zu werden ist eine Form des Älterwerdens, die eine große soziale und wirtschaftliche Rolle spielt. Mädchen sind von klein auf einem Schönheitsideal ausgesetzt, das ihre Jugendlichkeit fetischisiert. Das zeigen unter anderem die vielen Kommentare online wie offline über heranwachsende Frauen, die Aufmerksamkeit während der Pubertät und der Rummel um den Schritt in die Volljährigkeit, wie beispielsweise bei der Schauspielerin Emma Watson: Sobald die Uhr an ihrem 18. Geburtstag Mitternacht schlug, nutzten Fotografen ihr neu gewonnenes Recht auf ihren Körper, um ihr unter den Rock zu fotografieren.

Ob alt oder jung : In einer Gesellschaft, die sich mehr für die weibliche Schönheit als für ihren Intellekt interessiert, sind Frauen ihrer Körper wegen zahlreichen Zuschreibungen und Wertungen ausgesetzt. Sexualisiert werden sie alle, als sexy gilt jedoch nur der junge Frauenkörper. Aber Sex sells – und Botox damit umso besser.

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