Nicht genügend Pride?

von Hannah Mayer
Lesezeit: 4 min
Jedes Jahr wird der Queer Community ein ganzer Monat gewidmet – der Pride Month. Die Forderungen nach Akzeptanz, Toleranz und Gleichberechtigung sind nach wie vor ein wichtiges politisches Thema – auch in Österreich. Das Land liegt in puncto LGBTQIA+-Rechte europaweit nur auf Platz 19.

Der LGBTQIA+ Pride Month, kurz Pride Month, wird jährlich im Juni gefeiert. Seinen Ursprung hat der Pride Month in den Stonewall-Unruhen von 1969 in Manhattan. Die Homosexuellen-Community wehrte sich damals gegen die Polizeigewalt, der sie immer wieder ausgesetzt war. Die Schwulenbar Stonewall Inn war nämlich das Ziel einer umfassenden Polizei-Razzia geworden. Die Aufstände waren ein Wendepunkt in der amerikanischen und in der globalen Schwulenbewegung. Zunächst wurde in New York der „Christopher Street Liberation Day“ gefeiert – benannt nach der Straße (Christopher Street), in der sich das Stonewall Inn befand. Bald wurde daraus ein ganzer Monat voller Feierlichkeiten. Heute umfasst der Pride Month Veranstaltungen wie Paraden, Partys, Workshops und Konzerte. Außerdem finden Gedenkfeiern für die Opfer von Hassverbrechen und HIV/AIDS statt. Der Pride Month würdigt den Einfluss der LGBTQIA+-Gemeinschaft auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene.

Queere Rechte in Österreich

In der von der nichtstaatlichen Dachorganisation ILGA-Europe jährlich veröffentlichten Rainbow-Map werden 49 europäische Länder nach ihren Gesetzen und Richtlinien zur Gleichberechtigung der Queer Community aufgelistet. Die Staaten werden nach einem Ampelsystem bewertet.

Österreich schafft es in dieser Auflistung im Jahr 2024 nur auf Platz 19 und liegt damit deutlich hinter Malta auf Platz eins und Deutschland auf Platz elf. Im Vergleich zu 2016 ist der Score Österreichs sogar deutlich gesunken. 2016 erreichte Österreich noch einen Wert von 62,21 Prozent auf der Skala der Queerfreundlichkeit. In den letzten acht Jahren hat das Land an etwa zehn Prozent queerer Akzeptanz verloren und erzielt 2024 nur einen Score von 49,63 Prozent.

So werden in Österreich laut den Daten der Rainbow-Map vergleichsweise wenige Maßnahmen gegen den anhaltenden und wiederkehrenden Hass gegen die LGBTQIA+-Community unternommen. Hingegen erlangt Österreich auf der Skala 100 Prozent in der Kategorie Civil Society Space. Dabei geht es um das Recht der queeren Menschen, sich frei ausdrücken und ausleben zu dürfen. Auch im Bereich der Familie hat die LGBTQIA+-Gemeinschaft in Österreich schon viele Rechte. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist erlaubt, ebenso eine registrierte Partnerschaft oder die Gründung einer Familie. Gleichgeschlechtliche Paare dürfen in Österreich gemeinsam ein Kind adoptieren oder eine Samenspende in Anspruch nehmen. Dabei werden beide Partner direkt als Elternteile anerkannt.

Transgender-Personen stehen in Österreich eine Reihe von Rechten zu. Sie können beispielsweise ihren Namen legal ändern und ihre Identität selbstbestimmt leben. Staatlich nicht anerkannt sind hingegen nicht-binäre Geschlechtsidentitäten.

Seit 2022 ist die sexuelle Orientierung in Österreich kein Ausschlussgrund mehr für die Blutspende. Bis dahin waren Homosexuelle aufgrund von Vorurteilen aus der Zeit der AIDS-Krise von der Blutspende ausgeschlossen. Auch transidente Menschen durften bis dahin kein Blut spenden.

Pride in Europa

Am schlechtesten um die Rechte queerer Menschen steht es in Russland. Das Land erreicht auf der Skala gerade mal einen Score von 2,0 Prozent. Lediglich in der Kategorie Familie ermöglicht Russland der Community einige wenige Rechte, bewegt sich aber auch dort nicht aus dem roten Bereich heraus.

Generell sind auf der Rainbow-Map fast alle osteuropäischen Länder orange bis rot eingefärbt, während sich die meisten westlichen Länder Europas im grünen Bereich bewegen. Eine Ausnahme stellt Italien dar. Das Land liegt mit 25,41 Prozent auf Platz 35 und deutlich hinter Österreich. Dort haben LGBTQIA+ kaum Rechte in den Bereichen Gleichstellung, Nichtdiskriminierung und Familie. Italien bietet wie Österreich nur in der Kategorie Civil Society Space volle Entfaltungsfreiheit.

Griechenland schafft es im Ranking 2024 auf Platz sieben. Anfang des Jahres stimmte Griechenland der gleichgeschlechtlichen Ehe zu. Damit ist es das erste christlich-orthodoxe Land, das gleichgeschlechtlichen Paaren die gleichen Rechte einräumt wie heterosexuellen Paaren.

EU-Bürger:innen fordern mehr

Von den 49 Ländern auf der Liste der Rainbow-Maps sind nur 18 mit Grün gekennzeichnet. Im Vergleich schneidet die Europäische Union als politische Einheit gesehen aber besser ab als der europäische Kontinent – mit einem Unterschied von ganzen acht Prozent.

Seitens einiger Bürger:innen der Europäischen Union wurde eine Initiative zum Verbot von Konversionstherapien gestartet. Diese Petition fordert die EU-Kommission dazu auf, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag in die Wege zu leiten. Im Moment hat die Petition gerade mal 50.569 Stimmen gesammelt – 572 davon in Österreich. Benötigt werden eine Million Unterstützungsbekundungen, um erfolgreich zu sein.

Konversionstherapie ist eine pseudowissenschaftliche Intervention, die dazu dienen soll, die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität von LGBTQIA+-Personen zu unterdrücken oder gar zu verändern. Tatsächlich ist es unmöglich, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität in dieser Weise zu beeinflussen. Von der UN wurde diese Praxis aufgrund ihrer demütigenden, diskriminierenden und schädlichen Natur als Folter anerkannt. Europaweit sind diese Praktiken derzeit nur in zehn Ländern verboten. Österreich gehört nicht zu diesen zehn Staaten.

Zeit für Pride

Die LGBTQIA+-Gemeinschaft ist offensichtlich noch nicht gleichberechtigt. Queerfeindlichkeit ist nach wie vor ein Problem und nimmt teilweise sogar wieder zu. Dennoch – oder gerade deswegen – müssen queere Menschen (auch) sichtbar bleiben. Es ist wichtig, dass die Community den Pride Month hat, um zu feiern. Und um stolz zu sein: auf ihre Identität und auf all das, was sie erreicht und wofür sie gekämpft hat.

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