Stolz und Vorurteil

von Friederike Westrich
Lesezeit: 5 min
In unserer Gesellschaft immer noch ein Tabu-Thema: Geschlechtskrankheiten. Die Zahl der Infizierten steigt stetig an und dennoch wird kaum darüber geredet. Fehlendes Wissen und Scham spielen dabei eine große Rolle.

Chlamydien? Ich? Dafür habe ich doch viel zu wenig Sex. Ich fühle mich topfit. Ich bin schon lange in einer Beziehung. Das würde ich doch merken. Oder nicht?

Hand aufs Herz, wie häufig hast du dir Gedanken über Geschlechtskrankheiten gemacht und dann gedacht, dass dich das sicher nicht betrifft? Kennst du eigentlich die häufigsten STDs und deren Symptome? Und ist dir schon einmal der Unterschied bei der Testhäufigkeit zwischen Männern und Frauen aufgefallen? 

STDs im Vormarsch

Die Abkürzung STD steht für „Sexually Transmitted Disease”, genau das Gleiche meint die Abkürzung STI mit „Sexually Transmitted Infection”. Das Gefährliche an den STDs sind die Tabuisierung, die Scham, die Wissenslücken und die diffusen oder gar fehlenden Symptome.  

Tatsächlich sieht man an den Zahlen vom Robert-Koch-Institut, dass die Zahl der Infizierten immer mehr steigt. 2022 steckten sich in Deutschland mehr als 16.500 Menschen mit Hepatitis B und etwa 300.000 mit Chlamydien an. Somit haben sich die Zahlen seit dem Vorjahr fast verdoppelt. In Österreich infizieren sich pro Jahr rund 30.000 Menschen mit Chlamydien, acht von zehn aller Frauen und Männer stecken sich im Laufe ihres Lebens mit HPV an und ein bis zwei Menschen pro Tag mit HIV. Es wird davon ausgegangen, dass sich fast jeder sexuell aktive Mensch irgendwann mal mit HPV infiziert. 

Grippe oder HIV?

Typische Symptome für viele STDs sind zum Beispiel Juckreiz, Hautveränderungen – heißt: Rötungen, kleine offene Wunden, Blasen, Knötchen, Ausfluss, Brennen beim Urinieren, Schmerzen im Unterbauch oder geschwollene Lymphknoten. Das Gemeine: In vielen Fällen treten gar keine Symptome auf, oder sie sehen wie die einer Grippe oder einer Magen-Darm-Infektion aus. Von vielen Expert:innen wird daher für sexuell aktive Menschen empfohlen, einmal pro Jahr eine ärztliche Kontrolle auf STDs durchführen zu lassen. 

„Ich benutz’ doch eh immer Kondome.”

Neben Kondomen bieten auch Lecktücher Schutz. Zudem ist Hygiene wichtig und das Vermeiden von Kontakt mit Blut oder offenen Hautstellen. Auch sollten Sexspielzeuge nicht mit mehreren Personen gleichzeitig verwendet werden. Bei Drogenkonsum sollten die Utensilien nicht geteilt werden. Trotzdem kann eine Übertragung durch solche Maßnahmen nicht völlig ausgeschlossen werden. 

Die meisten Geschlechtskrankheiten sind sogenannte Schmierinfektionen, die auch oral übertragen werden. Sich danach mit dem Finger in den Mund oder in die Augen zu fassen, kann also auch zur Ansteckung führen. STDs wie Herpes, Syphilis oder HPV können außerdem auch andere Stellen befallen, über die kein Kondom kommt, wie Vulva, Damm oder Hodensack.

Lästige Mitbewohner

Neben den klassischen STDs zählen leider auch Parasiten zu sexuell übertragbaren Plagegeistern. So mögen Filzläuse, Trichomonaden und Skabies (Krätze) gerne engen Körperkontakt. Tatsächlich ist die Trichomonaden-Infektion die häufigste sexuell übertragbare Krankheit weltweit und kann zu Verklebung in den Eileitern, Unfruchtbarkeit und Nierenerkrankungen führen. Glücklicherweise wird man Parasiten relativ einfach wieder los, sei es mit Tabletten, Salben oder Teebaumöl (bewährt bei Krätze).

Der Selbstversuch

Als ich Menschen vom Selbstversuch erzählte, dachten einige, ich wollte testen, wie schnell ich mir STDs einfangen kann. Das wäre sicherlich auch abenteuerlich gewesen. Aber hier ging es darum, wie man sich am besten testen lassen kann, was in Innsbruck niederschwellig, kurzfristig und einfach beim Zentrum Sexuelle Gesundheit Tirol geht. Auf deren Website kann man meist schon für die kommenden Tage (jedoch immer nur montags oder dienstags) einen Termin auswählen, sich einen anonymen Kennnamen geben und STDs auswählen, auf die man sich testen lassen möchte. Folgende stehen zur Auswahl: HIV, Lues (Syphilis), Chlamydien, Gonorrhoe (Tripper), Hepatitis A/B/C und HPV. Der HIV-Labortest ist kostenlos. Die anderen kosten zwischen 15 und 40 Euro. 

Folgende Aussage des Zentrums ist besonders hervorzuheben: „Das Zentrum Sexuelle Gesundheit Tirol sieht sich als Protagonist der Normalisierung und tritt gegen Stigmatisierung, Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt auf, weist auf Diskrepanzen hin und gibt Menschen eine Stimme, die von der Norm abweichen.”

Vor Ort läuft das Ganze unkompliziert ab. Man meldet sich an, wartet sitzend im Gang, bewundert Gender- und Aufklärungsposter und wird mit seiner, teilweise sehr lustigen, Kennung aufgerufen. Im kurzen Beratungsgespräch werden einem die Abläufe der Tests vorgestellt. Besonders bei HIV wird betont, dass die letzten sechs Wochen nicht in den Test reinzählen werden, und es wird gefragt, warum gerade auf diese Krankheiten getestet werden sollen. Ich entschied mich für HIV und Syphilis, da der HIV-Test eh kostenlos war und Syphilis sehr leicht übertragbar ist, und für Chlamydien, da sie so verbreitet sind und es bei dieser Erkrankung häufig keine Symptome gibt. 

Das Gespräch läuft in einer sehr lockeren und entspannten Atmosphäre ab. Anschließend wird einem Blut am Arm abgenommen und das Testergebnis kann nach ein paar Tagen abgeholt werden. Alles in allem ein sehr positiver und lustiger Ausflug – zu dem ich meine ganze WG mitgenommen habe. Der Aufwand ist gering und ich kann jedem empfehlen, ohne oder mit Verdacht, sich einfach mal testen zu lassen. Im Gespräch mit Menschen aus meinem Umfeld fiel mir auf, dass eine Erkrankung mit Chlamydien gar nicht so selten ist und einige dies nur durch einen zufälligen Test herausgefunden haben.

Bild: Friederike Westrich

Info

Gonorrhoe / Tripper

Symptome: schleimig, eitriger Ausfluss aus Penis/Scheide, nach Oralverkehr Halsschmerzen, Schmerzen beim Urinieren. Ansteckung: Vaginal-/Anal-/Oralverkehr, Schleimhautkontakt, Übertragung durch Hände und Sexspielzeuge. Folgen: z.B. Unfruchtbarkeit. Behandlung: Antibiotika.

Lues / Syphilis 

Symptome: Geschwür am Penis, Scheide, After, Mund (1. Stadium), Hautausschlag an Fußsohlen und Handflächen (2. Stadium), Befall von Organen, Knochen, Nervensystem (3. Stadium). Ansteckung: Vaginal-/Anal-/Oralverkehr, Kontakt mit infektiösen Sekreten (sehr leicht übertragbar!). Folgen: z.B. Gleichgewichtsstörungen, Denkstörungen, geistiger Verfall. Behandlung: Antibiotika.

Chlamydien

Symptome: meist keine / eitriger Ausfluss, Brennen beim Urinieren. Ansteckung: Vaginal-/Anal-/Oralverkehr, Petting, Übertragung durch Sexspielzeuge, Schmierinfektion! Folgen: z.B. Unfruchtbarkeit, Entzündungen der Rektum- und Vaginalschleimhaut, Gelenkentzündungen. Behandlung: Antibiotika. 

HIV

Symptome: Grippeähnlich. Schwächung des Immunsystems. Ansteckung: Vaginal-/Anal-/Oralverkehr, Blutkontakt. Folgen: Ansteckung an schweren Infektionen/ Erkrankungen durch geschwächtes Immunsystem (erst dieses Stadium heißt AIDS). Behandlung: Heilung nicht möglich. Medikamente verhindern die Vermehrung der HI-Viren, lebenslange Therapie. 

Hepatitis A/B/C

Symptome: Magen-Darm-Beschwerden, Übelkeit, kein Appetit, heller Stuhlgang, dunkler Urin, Gelbsucht, Müdigkeit, meist keine bei Hepatitis C. Ansteckung: Vaginal-/Anal-/Oralverkehr, Blut und andere Körperflüssigkeiten. Folgen: z.B. Leberschäden. Behandlung: Medikamente, Impfung für Hepatitis A, B. 

Herpes

Symptome: Jucken, Bläschen, Geschwüre an Lippen/ Scheide/ Penis/ After, Fieber, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen. Ansteckung: Vaginal-/Anal-/Oralverkehr, Schmierinfektion, Kontakt mit offenen Bläschen. Folgen: Immer wiederkehrende Krankheitsschübe, z.B. bei Stress. Behandlung: Erreger bleibt für immer im Körper. Salben, Tabletten gegen die Symptome. 

HPV / Feigwarzen

Symptome: keine / Warzen an Geschlechtsteilen. Ansteckung: Vaginal-/Anal-/Oralverkehr, Hautkontakt, Küssen. Folgen: z.B. Feigwarzen, Anal-/Gebärmutterhalskrebs. Behandlung: Entfernung der Warzen, Vorsorgeuntersuchungen für Krebs. Präventiv: Impfung. 

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