Wahlfisch: Neujahrsvorsätze

von Laura Klemm
Schlagwörter: Lesezeit: 3 min
Der erste Punkt im Jahr, an dem sich die Geister scheiden: die Neujahrsvorsätze. Fast alle machen sich insgeheim welche, auch wenn dies nicht alle zugeben wollen. Über die Effizienz des Vorhabens lässt sich jedoch streiten.

Sei SMART!

Laura Klemm

Mehr als die Hälfte aller Neujahrsvorsätze verlaufen ins Leere. Doch deine müssen dieses Jahr nicht dazugehören. Schließlich haben sich Wissenschaftler:innen schon längst der Erforschung von guten Vorsätzen gewidmet, und die Ergebnisse lassen sich in Sekundenschnelle in den Tiefen des Internets aufstöbern. Dort wird geraten, sich anlässlich des diesjährigen Jahreswechsels aus Selbstliebe statt aus Selbsthass das Sektglas schwingend für einen Kurswechsel zu entscheiden.

Es heißt die Vorsätze sollen “SMART” sein: spezifisch, messbar, erreichbar, realistisch und zeitlich definiert. Zugegeben, auf Englisch funktioniert das Akronym besser… Aber das Prinzip bleibt das gleiche.

Schon Jesus forderte zur Umkehr auf. Wer also über Vorsätze nachdenkt, der handelt in einer langen und ehrenwerten Tradition. Neujahr bietet netterweise die alljährliche Möglichkeit, das eigene Leben zu reflektieren. Nach zwölf Monaten langen Wartens ist am 31. Dezember dann der ersehnte Moment gekommen: Endlich können wir entscheiden, was wirklich wichtig ist.

Ohnehin ist es nicht sonderlich zeitintensiv, sich Gedanken über Ausmaß und Inhalt der Vorsätze zu machen. Schließlich entscheiden wir uns meist sowieso dafür, die Umsetzung derselben Ziele anzupeilen, an denen wir im vorherigen Jahr gescheitert sind. Und macht es nicht Spaß, aus der Sektlaune heraus große Ziele in die Nachtluft zu brüllen?

Möglich, dass auch dieses Jahr wieder die Hälfte aller Ambitionierten an ihren Vorsätzen scheitert… Doch wer’s versucht, der hat es wenigstens probiert. Daher: Nur Mut zum Scheitern! Lasst uns umkehren. Entscheiden wir uns gegen das verpönte „Vielleicht“ und das ewige „Irgendwann“. Lasst uns sie endlich leben, die Utopie.

Genau so nicht.

Nadine Schmidhammer

Der einfachste Weg, der eigenen Psyche Schaden zuzufügen, ist es, sich Neujahrsvorsätze zu machen. Zunächst beginnt das Ganze zwar noch feuchtfröhlich. Der Optimismus-Pegel steigt rasant in den Tagen vor Neujahr und, insbesondere, am Silvesterabend selbst. Während man mit Tante Helga ordentlich Sekt tankt, entstehen detaillierte Pläne dafür, wie man im neuen Jahr endlich alles schafft, wofür man 21 Jahre davor nicht genügend Energie aufbringen konnte. Denn dieses Mal wird alles anders. Genau.

Wenn unsereins dann Anfang Januar das Fitnessstudio immer noch nur von der Straße aus in Augenschein nimmt, die Zigarettenschachtel in der Hosentasche immer noch ihren festen Platz hat und man immer noch mehr als drei Stunden täglich vor irgendwelchen Bildschirmen verbringt, wird einem langsam, aber sicher klar: „Wird heuer wohl doch nicht das Jahr, das alles verändert…“ Ab diesem Punkt geht es bergab. Und man kann niemandem außer sich selbst die Schuld in die Schuhe schieben. Leid im Doppelpack.

Nun stellt sich mir die Frage, ob es Sinn macht, sich dieser Form der Selbstverletzung hinzugeben, oder ob es nicht doch klüger wäre, die Neujahrsvorsätze dieses Jahr zu den weihnachtlichen Essensresten in den Mülleimer zu schmeißen. Wenn etwas gut gemacht werden soll, braucht es viel Willenskraft. Wenn man diese irgendwo neben dem inneren Schweinehund in sich findet, sollte man sie sich nicht für einen alkoholgetränkten Abend aufsparen und gleich mit der Selbstoptimierung beginnen.

Schreibe einen Kommentar

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmst du der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten durch diese Website zu.

Artikel aus der selben Rubrik