Als in einer Humangeografie-Vorlesung der Begriff Urban Gardening zum ersten Mal fiel, klang dies für mich nach etwas Ausgefallenem, Besonderem – fast schon zu speziell für Innsbruck. Falsch gedacht. In letzter Zeit fallen auch in der kleinen Großstadt immer mehr aufwendig bepflanzte Balkone oder kleine Grünflächen auf. Nicht selten wuchert ein kleiner Urwald zwischen Pflastersteinen und Beton oder grüne Äste strecken sich gierig aus Terrassen von Blockbauten Richtung Sonne. Auch größere Gärten und Parks – beispielsweise der Hofgarten – zählen neben dem privaten Grün zur urbanen Bepflanzung und werden stetig gefördert. Und auch wenn manche mit Gewächsen verzierte Balkon noch nicht aus den Betonblocks hervorstechen, ist jede Pflanze ein guter Anfang.
Das System dahinter
Der Hype verbreitet sich nicht ganz von allein. Beispielsweise fördern die österreichischen Bundesgärten und das Landwirtschafts-Ministerium den Trend, indem sie bei einem Gewinnspiels 65 Beete im Hofgarten verlosen. Die Teilnehmer:innen mussten auch in diesem Jahr lediglich zwischen Anfang März und Anfang April online eine Quizfrage beantworten und ihre Kontaktdaten angeben. Die Bepflanzung erfolgt dann nach eigenem Gutdünken und trägt, egal in welcher Form, dazu bei, Innsbruck etwas grüner zu machen. Diese Beete sollen ausreichen, um eine Familie von fünf Personen über die ganze Gartensaison hinweg, sprich von April bis Oktober, mit Obst, Gemüse und Kräutern zu versorgen. Je nachdem, wofür man das eigene Fleckchen Erde nutzen möchte. Auf der Website https://www.nachhaltigkeit.at/urban-gardening/ finden sich zudem Tipps und Tricks der Gewinner:innen des letzten Jahres; sowie Wissenswertes zur Pflege verschiedener Gewächse.
Des Weiteren stellt die Webseite https://freipflanzen.at/inns-neue-gartl-paschbergweg/innsgartl/ zwei bereits seit circa 10 Jahren laufende Projekte zum Urban Gardening vor. Zum einen gibt es das innsGARTL im Langen Weg und zum anderen das innsNeueGARTL im Paschbergweg. Nimmt man beide Areale zusammen, stehen den Innsbrucker:innen insgesamt beinahe 200 Privatbeete zur Verfügung. Hinzu kommen noch gemeinschaftlich oder von Gruppen genutzte Beete. freipflanzen betont in der Präsentation dieser Projekte, dass sie einen positiven Einfluss auf das Klima der Stadt haben und aus Innsbruck eine „essbare Stadt“ machen.
Beide Seiten weisen darauf hin, dass die Projekte nicht nur für den regionalen Anbau wertvoll sind, sondern auch der Natur und Artenvielfalt zugutekommen. Jedes bepflanzte Fleckchen erfreut allerlei Krabbelgetier, was wiederum dem gesamten Ökosystem nutzt.
Für die Natur, für uns
In der erwähnten Vorlesung wurde einerseits auf diese durch den Trend auflebende Insektenvielfalt hingewiesen. Daneben stehen den Bewohner:innen mehr regional angebaute Produkte zur Verfügung und die Luftqualität im Häusermeer verbessert sich auch durch das städtische Garteln.
Lebensqualität: Auf diesen weiteren wichtigen Punkt geht der Professor auch noch ein. Für das Bild der Stadt und damit auch das Wohlbefinden ihrer Bürger:innen spielt die Bepflanzung anscheinend eine wichtige Rolle. Bei der Gestaltung und Weiterentwicklung der Stadt können allerdings nur öffentlich zur Verfügung gestellte Beete und Anlagen berücksichtigt werden. Die kleinen Oasen auf Privatbalkonen zeigen sich da nur als Kirsche auf der Torte, nehmen in der Wirkung des öffentlichen Gesamtraumes jedoch eine prominente Position ein.
Prinzipiell kann jede:r noch heute mit der Bepflanzung des eigenen Balkons oder, in der Premium-Variante, der eigenen Terrasse beginnen. Mein Nachbar, Thomas Perkmann, macht es vor: Es braucht nicht viel, ein kleines Hochbeet, ein Bäumchen, zwei, drei Blumentöpfe. Schon blickt man von der Straße oder dem Innenhof aus auf eine kleine Oase. Selbst habe ich mir, inspiriert von der Recherche, eine mickrige Blasenspiere auf den 1 qm großen Balkon gestellt. Schauen wir mal, ob sie den Sommer überlebt. Wir freu’n uns!
Wen hier nicht die Motivation packt, Erde und Grünzeug selbst in die Hand zu nehmen, der soll sich eben als Grinch des Gartelns hinter grauen Mauern versteckt halten. Der Urban-Gardening-Trend ist dennoch nicht aufzuhalten. Die vielen Vorzüge, die verschiedene Projekte und Eigeninitiativen bieten, reißen mit großer Wahrscheinlichkeit immer mehr Leute in ihren Bann.