Herr Koschuh, was ist Satire?

von Fabian Bär
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Der Innsbrucker Satiriker und Kabarettist Markus Koschuh im UNIpress-Interview über das Wesen der Ironie, satirische Missverständnisse, und die Lage von Künstlerinnen und Künstlern in Corona-Zeiten.

UNIpress: Herr Koschuh, was ist Satire?

Markus Koschuh: Das ist eine schwierige Frage, da sind schon viele daran gescheitert. Satire ist eine zugespitzte, überhöhte Darstellung des Alltags. Im besten Fall regt sie zum lachen an – und zum denken.

UP: Was darf Satire?

Koschuh: Es gibt den Spruch von Kurt Tucholsky, dass Satire alles darf. Ich finde, es gibt schon Grenzen. Einen Politiker kritisiere ich mit Leidenschaft, was ein Politiker privat tut, ist mir relativ wurst. Die Angriffsfläche in der Politik ist mir genug, das Privatleben ist für mich die Grenze. Das normale moralische Verständnis ist für mich die Grenze, aber unter die Gürtellinie muss es nicht gehen – das wäre mir zu billig. Satire sollte nämlich klug sein.

UP: Abgesehen von diesen moralischen Grenzen gab es in den letzten Monaten durchaus tatsächliche Grenzen für Satirikerinnen und Satiriker – Sie konnten nicht vor Publikum auftreten. Wie geht man damit um?

Koschuh: Ganz ehrlich, man wird ein bisschen depressiv. Die Bühne ist ein Lebenselixier, und ich kann mich ein bisschen hineinversetzen in die Lage von Künstlerinnen und Künstlern, die unter Auftrittsverboten in Diktaturen leiden müssen. Es hat ja Sinn gemacht, das so zu handhaben, aber seinem Beruf, seiner Berufung nicht nachgehen zu können – das nagt schon an einem. Man hat ja laufend Ideen, laufend Programme, die aktuell sein müssen, die man auf die Bühne hieven möchte, man hat Auftritte absagen müssen – es ist schon brutal.

UP: Schlägt man da als Satiriker auch neue Wege ein, um das Publikum anders zu erreichen?

Koschuh: Es haben einige den Weg ins Internet gesucht und gefunden – auch ich. Mit meinem „Journal im Bild“ versuche ich, ein Satireformat zu streuen, das mir auch die Freude an meinem Tun erhält. Ich bin ein sehr politischer Mensch, und Vorlagen werden tagtäglich geliefert, das Material geht mir nicht aus. Wenn ich nicht auftreten darf, dann eben online – wie viele andere auch.

UP: „Journal im Bild“ ist ein gutes Stichwort – in der Folge vom 15. Juni machen Sie etwas für einen Satiriker sehr ungewöhnliches und fast schon moralisch fragwürdiges: Sie entschuldigen sich bei Tiroler Politikerinnen und Politikern, über die Sie sich in Ihrem bisherigen Material lustig gemacht hatten. Der Grund für Ihr überraschendes Umschwenken? Eine Förderung vom Land Tirol über 3.000€, die Sie kürzlich erhalten haben. Sollte man als Satiriker die Mächtigen im Land nicht auf den Arm nehmen – anstatt sich von ihnen kaufen zu lassen?

Koschuh: Es ist ja auch ein satirisches „Danke“.  Für diese Folge bin ich in eine Krachlederne geschlüpft, spiele mit Tiroler Klischees, mit diesem überhöhten „Danke“ – so funktioniert Satire. Dieses überhöhte „Danke“-Sagen… also wer mir das abnimmt, gehört eigentlich in die Therapie.

 

© Sofie Hofer

“So funktioniert Satire”

UP: Wie gehen Sie damit um, wenn Leute Ihre satirischen Texte oder Auftritte missverstehen und sie für bare Münze nehmen?

Koschuh: Dann setze ich mich gerne mit diesen Leuten zusammen – und mich mit ihnen auseinander. Das kommt ab und zu schon vor, denn Satire verlangt natürlich Aufmerksamkeit. Manchmal hat man nicht die Treffsicherheit, dass man es schafft, das „on point“ zu erklären. Das kommt immer wieder mal vor, und wenn sich jemand aufregt, sage ich ok, setzen wir uns zusammen, was hat dir an der Szene nicht gefallen? Dann versuche ich, zu erklären. Das kommt schon mal vor, dass ich an der Erklärung scheitere, durch das Gespräch klüger werde, und was an der Szene ändere. Das kann schon sein.

UP: Ein satirischer offener Brief an die Satirewebsite „Die Tagespresse“, den wir auf Instagram als Story gepostet haben, schlägt seit einiger Zeit Wellen. Wir haben dafür sehr viel Anerkennung und Lob, aber vereinzelt auch Kritik erhalten. Einige Menschen dachten sogar, dass unser satirischer offener Brief ernst gemeint war, und wir auf Satire reingefallen sind. Sie auch?

Koschuh: Ja, ich bin auch kurz reingefallen, weil ich die UNIpress nicht als Satireformat kenne, und weil der Text so „ehrlich“ geklungen hat. Nach dem zweiten, dritten Mal lesen versteht man schon, was Sache ist, dass man sich über die Satire satirisch lustig macht. Aber ja, ich bin reingefallen – das gebe ich offen zu.

UP: Was hätten wir bei unserem satirischen offenen Brief an „Die Tagespresse“ besser machen können?

Koschuh: Sich vielleicht ein bisschen an der satirischen Herangehensweise der „Tagespresse“ anlehnen. Die „Tagespresse“ löst ihre Satire immer schon im Artikel auf. Das ist das Wesen der „Tagespresse“, und wenn man sich der gleichen Methodik bedient, ist es für viele schneller verständlich. Aber natürlich wollten es auch viele falsch verstehen. Ich finde, Satire muss auch nicht immer von allen verstanden werden. Die Empörung ist auch ein Mittel, das Gespräch voranzutreiben.

© Sofie Hofer

“Empörung ist auch ein Mittel, das Gespräch voranzutreiben”

UP: Was ist Ironie?

Koschuh: Ironie hat ein bisschen was mit Schadenfreude zu tun. Es gibt auch diesen Ausspruch „Die Ironie der Geschichte“ – wenn sich etwas auflöst, und man darüber lachen kann. Ironie ist meistens im Rückblick erst lustig, der kleine Bruder der Satire. Ironie löst sich meistens erst später auf.

UP: Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach Corona?

Koschuh: Jetzt kommt zuerst das zweite Kind, dann kommt im Herbst noch ein Buch heraus, und im Dezember wieder der Jahresrückblick im Treibhaus. Schauspiel, Moderationen, immer wieder neue Programme – mir wird nicht fad.

UP: Herr Koschuh, vielen Dank für das Gespräch.

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