Das rot-weiße Absperrband, welches die weite, leere Fläche umzäunt, flattert im typischen Innsbrucker Föhn. Die Sonne scheint und beleuchtet die eine Hälfte des großen Baugrundes, auf die andere werfen die angrenzenden Bäume ihren Schatten. An einem gewöhnlichen Sonntag im Mai flanieren zahlreiche BesucherInnen durch den Hofgarten und spazieren an diesem abgegrenzten Platz vorbei – einige empfinden dabei wohl Wehmut oder Nostalgie, anderen steht die Neugier über die Vergangenheit und Zukunft dieser leeren Stelle mitten im Hofgarten ins Gesicht geschrieben. Auf Nachfrage bei einigen der vielen Grüppchen, die auf den Bänken und Wiesen rundherum sitzen, wissen die meisten, was dieser umzäunte und abgesperrte Platz mit der Innsbrucker Fortgehkultur zu tun hat und welches Schicksal ihm widerfahren ist.
Es war einmal
Versetzen wir uns etwa fünf Jahre in die Vergangenheit zurück – an den Beginn meiner Studienzeit in Innsbruck. In Amerika wurde gerade Donald Trump zum Präsidenten gewählt, Großbritannien entschied sich die EU zu verlassen, Leonardo DiCaprio gewann (endlich) seinen ersten Oscar, Marchel Hirscher entschied ein Rennen nach dem anderen für sich und so gut wie alle anderen waren dem Pokemon Go Wahnsinn verfallen. In Innsbruck hielten wir Studierende uns neben den Fanmeilen zur Fußball-EM vor allem im Irish, im (ehemaligen!) Weekender und (ehemaligen!) Hafen, sowie natürlich im Hofgarten, liebevoll auch Hoga genannt, auf.
Meist am Dienstag ging es nach dem typischen Vorglüh-Abend in der WG zu später Stunde für die 6er-Garantie in den Hofgarten – stolze 6 Getränke für den geringen Preis von 10 Euro konnte man sich an diesen Abenden gönnen. Vorbei musste man dafür zunächst aber an den meist recht grimmig dreinblickenden Türstehern. Als Mädel, egal welchen Alters, war das selten ein Problem. Wert gelegt wurde dabei generell auf ein „gepflegtes“ Erscheinungsbild – das Gerücht, dass man mit Turnschuhen und (kurzen) Jogginghosen schon mal vor der Tür stehen blieb und von seinen Freunden Abschied nehmen musste, war durchaus in Umlauf. Hatte man diese doch etwas fragwürdige Einlasspolitik überstanden, fand man sich, nach einem kurzen Gang über die Terrasse und die drei Stufen hinauf bis zur Eingangstür, erstmal vor der Bar und neben der relativ großen Tanzfläche, die eigentlich fast den ganzen Innenbereich einnahm, wieder. Neben den stets ranzigen Toiletten und einem abgegrenzten Sitz- und Raucherbereich, in dem man untertags sogar etwas zu essen bekommen konnte, gab es sonst nicht mehr viel. Reichte ja aber auch. Nachdem man sich also mit den letzten 10 Euro, die man für dieses Monat auf dem Konto hatte, seine sechs Getränke an der Bar holen durfte, ging es mit der meist eh schon betrunken Freundesgruppe auf die rappelvolle und dichtgedrängte Tanzfläche – zu Corona-Zeiten kaum noch vorstellbar. Der oftmals amateurhafte DJ spielte für die wild tanzende Meute dabei die Charts rauf und runter. Und obwohl der Alkohol billig, die Musik schlecht, der Boden klebrig, die Luft stickig und alle anderen schwitzig waren, sind die Abende trotzdem immer lang, betrunken und einfach nur schön gewesen. Besonders die große Terrasse vor dem Gebäude sowie natürlich der Hofgarten selbst luden die Feiernden an warmen Sommernächten oft auch nach Barschluss und bis in die frühen Morgenstunden zum Zusammensitzen und zu ausgiebigen Ausnüchterungsspaziergängen ein.
Der Anfang vom Ende
Obwohl sich der Hofgarten zu dieser Zeit als Hotspot der Ausgehszene unter Innsbrucker Studierenden und Einheimischen etablierte, ging es in den Folgejahren rasant bergab. Die Beliebtheit des bereits 1924 erbauten und sogar denkmalgeschützten Hofgarten-Cafés nahm unter den Studierenden ab. Der zunehmend jüngeren Besuchergruppe, welche höhersemestrige Studierende oftmals davon abhielt den Hofgarten aufzusuchen, versuchte man kurzeitig mit einem Einlass ab 21 Jahren entgegenzuwirken. Der damit erwünschte Effekt trat jedoch nicht ein – leider eher das Gegenteil. So musste das Hofgarten-Café im April 2019 wegen einem Insolvenzverfahren vorerst seine Tore schließen. Doch damit nicht genug. Im Juli desselben Jahres sah man eines Nachts auch noch weit entfernt riesige Rauchwolken über dem Hofgarten aufsteigen – der Dachstuhl des Kultortes stand lichterloh in Flammen. Bei den Ermittlungen ging man von mutwilliger Brandstiftung aus. Obwohl Teile der Fassade und das untere Stockwerk teilweise vor den Flammen gerettet werden konnten, war der Schaden an den Grundbauten und im Innenbereich enorm. Lange Zeit konnte man beim Vorbeispazieren einen Blick auf die verkohlten Tische und Stühle erhaschen. Übrig blieb vom einstigen Ausgeh-Hotspot nur noch eine Ruine – ausgebrannt, verlassen und beinahe vergessen.
Wie ein Phönix aus der Asche?
Mit dem verheerenden Brand wechselte auch der Eigentümer des Hofgarten-Cafés. Von einem privaten Besitzer ging das immer noch unter Denkmalschutz stehende Gebäude an die Republik Österreich, genauer gesagt an die Burghauptmannschaft Österreich, über. Diese konnte nach der Aufhebung des Denkmalschutzes – der Schaden war einfach zu groß – und einigen zeitlichen Verzögerungen vor ein paar Monaten mit dem Abbruch der Ruine beginnen. Was mit dem nun leeren Platz passieren soll, ließ uns der Pressesprecher der Burghauptmannschaft Christian Gepp wissen:
„Für die Errichtung des geplanten Neubaus wird derzeit ein Gastronomiekonzept erarbeitet, anhand dessen weitere Details für einen Gastronomiebetrieb vorbereitet werden können. Anstelle eines Disco-Betriebs ist jedoch eher ein Kaffeehaus vorstellbar. Nach Fertigstellung des Gastronomiekonzeptes soll eine architektonische Machbarkeitsstudie durchgeführt werden, der dann ein Architekturwettbewerb folgen wird. Ein Abschluss des Architekturwettbewerbs ist für den Anfang nächsten Jahres (2022) vorgesehen.“
Nach derzeitigem Stand kann also nicht damit gerechnet werden, dass sich die beliebte Hofgarten-Disco wieder aus ihrer Asche erheben wird. Ein weiteres Kaffeehaus soll hingegen errichtet werden. Da drängt sich einem als Studierende(r) dann doch die Frage auf, ob das wirklich der richtige Weg ist. Ob sich Abende wie jene von vor fünf Jahren in Innsbruck denn überhaupt noch einmal erleben lassen. Ob es nach dem Verlust des Stadtcafés, des Weekenders und des Hafens so etwas wie eine neue Hofgarten-Disco nicht dringend gebraucht hätte. Denn auch die Corona-Zeit wird hoffentlich irgendwann zu Ende gehen, neue Studierende werden in Innsbruck eintrudeln, alt-eingesessene werden wieder in Partylaune verfallen und die Stadt wird wieder mehr zum Leben erwachen. Entscheidet ihr euch in dieser Situation dann für ein gemütliches Kaffeekränzchen oder nicht vielleicht doch eher für den guten alten Besuch in der Disco? Ich weiß, wie ich mich entscheiden werde.