Innsbruck stirbt!

von Kristina Kerber
Lesezeit: 4 min
Die Clubszene in Innsbruck stirbt aus. Dieses Massensterben ist nicht nur ein Ärgernis für Feierwütige, sondern auch eine Bedrohung der Innsbrucker Kultur.

Allein Ende letzten Jahres ist die Musik in zwei heimischen Clubs dauerhaft verstummt. Anfang November im Dachsbau, und nur wenige Wochen später fiel dann das Cubique der Sensenhand zum Opfer. Die Debatte rund ums Clubsterben ist nicht neu. So musste bereits 2017 der beliebte Weekender Club seine Türen schließen. 2019 folgte das Veranstaltungszentrum Hafen. Der Grundbesitzer hatte andere Pläne, hieß es. Den Ersatz, den die Politik damals versprochen hatte, gab es nie.

Als Gründe fürs Schließen der Clubs werden meist dieselben genannt. Und sie klingen langsam wie alte Parolen, die uns immer und immer (und immer) wieder ins Ohr gesäuselt werden. Mit den leeren Versprechungen rund um Alternativen und Plänen. Zuckerbrot und Peitsche, nur ist ersteres langfristig wenig ergiebig und Innsbruck muss nach und nach verhungern. So haben die Coronapandemie und die Inflationskrise bestehende Probleme wie steigende Mieten und Betriebserhaltungskosten verschärft. Dazu kommen noch veraltete Lärmschutzverordnungen und komplizierte Bauvorschriften, die das Leben von Clubbetreibenden erschweren.

Aber nicht nur sie sind betroffen. Das Leben in Innsbruck ist für viele Menschen zu teuer geworden – was sich auch auf das Ausgehverhalten auswirkt. Abgesehen von den finanziellen und rechtlichen Hürden hat Innsbruck noch einige weitreichendere Probleme.

Junge Menschen fühlen sich im Stich gelassen

In Gesprächen mit Studierenden wird vor allem eines deutlich: Viel Frustration gepaart mit dem Gefühl, von der Politik vergessen zu werden. Kein Wunder. Denn abseits von schließenden Clubs, die als wichtiger Ort des Zusammentreffens junger Menschen gelten, sind auch andere Veranstaltungsorte betroffen. Konsumfreie Räume wie die Sillschlucht, in der partyfreudige Menschen zusammenkommen, um gemeinsam zu tanzen, ohne dabei tief in die Tasche greifen zu müssen. Die privat organisierten Raves wurden seitens der Stadt mit der Begründung verboten, sie seien zu unsicher. Das Resultat – noch mehr Unmut.

Eine ähnliche Diskussion löste das umstrittene Bauvorhaben am Sonnendeck aus. Ebenfalls ein wichtiger konsumfreier Raum für Studierende und Veranstaltungsort für Musikbegeisterte, der jedoch immer weiter den Händen der Heimischen entgleitet. Oder besser gesagt: entzogen wird. Clubs, Sillschlucht, Sonnendeck. Alle haben eines gemeinsam: Sie bieten Menschen die Möglichkeit, den Alltagsstress für einen Moment zu vergessen. Zusammen mit Freund:innen Spaß haben und einfach mal Dampf ablassen. Verschwinden diese Räume, sollte es niemanden wundern, dass sich junge Menschen vernachlässigt fühlen.

Zum urbanen Leben gehört mehr als unzählige überteuerte Shoppingmöglichkeiten, Tourismusfallen und verwässerter Kaffee mit Ausblick auf die Betonböden des Innsbrucker Fleckenteppichs. Der Fokus sollte nicht nur auf dem Tourismus liegen, sondern vor allem auf den Menschen, die Innsbruck ein Zuhause nennen. Sämtliche Räume kulturellen Austauschs – Bars, Clubs oder konsumfreie Räume wie das Sonnendeck – müssen geschützt werden. Nur so wird die Stadt ihrem Image als „Student:innenstadt“ auch wirklich gerecht.

Clubs als Kultur

Wer in den letzten Monaten Vertreter:innen der Innsbrucker Clubkommission – eine Interessenvertretung aller Beteiligten in der Tiroler Clubkultur – zugehört hat, vernimmt vor allem folgende Botschaft: Clubs müssen endlich als wichtiges Kulturgut betrachtet werden. Clubs werden von der Politik seit jeher als unangenehmer Beigeschmack des Innsbrucker Alltags in Kauf genommen statt als wichtige Kulturstätten wertgeschätzt. Clubs sind Begegnungsräume. Orte, wo Menschen sich treffen, austauschen und leben können. Sich entfalten, sich finden, sich verlieren. Einfach sind. Wenn jedoch immer mehr dieser Räume wegfallen, dann auch wichtige Orte für Begegnung.

Andere Kunst- und Kulturräume wie Theater werden als Hochkultur angesehen und bekommen (immerhin) ein gewisses Maß an Förderung.  Diese Unterscheidung zwischen minderwertigen und höherwertigen Kulturinstitutionen ist keiner kunstschaffenden Person und keinem Kulturbetrieb dienlich. Dass das Geld im Kulturbetrieb im Allgemeinen knapp ist, ist bekannt. Gerade deswegen ist es wenig hilfreich, Kulturbetriebe gegeneinander auszuspielen, indem die einen gelobt, die anderen belächelt werden. Indem den einen geraten wird, doch tagsüber bitte Autos zu waschen, wenn sie sich über Wasser halten wollen. Hochkultur und Clubkultur haben zwar eine ähnliche Funktion, genießen jedoch in der Politik keineswegs denselben Stellenwert.

Nicht nur labern, sondern handeln

Wir halten fest: Die Nachtkultur liegt im Sterben. Clubs und Bars können sich kaum noch über Wasser halten. Studierende fühlen sich von der Politik betrogen. Seit Jahren fordert die Clubkommission mehr Unterstützung und setzt sich dafür ein, dass das Nachtleben endlich als Kultur anerkannt und dementsprechend gefördert werden muss. Die Politik macht Versprechungen, gehandelt wird aber nicht. Das liegt oft an den Mehrheitsverhältnissen im Gemeinderat. Obwohl es sich hier sehr wohl um ein überparteiliches Thema handelt, scheiterten Konzepte und Anträge dort ständig an Blockaden.

Dennoch – der Druck auf die politischen Verantwortlichen wird immer größer. Sonnendeck, Sillschlucht, Clubsterben. Viele Studierende haben genug. Und in Anbetracht der Gemeinderatswahl im Frühling 2024 schien so langsam auch der und die Letzte verstanden zu haben, dass man mit diesen Themen bei der jungen Wählerschaft punkten kann. Versprechen und Zugeständnisse während des Wahlkampfes sind aber mit Vorsicht zu genießen. Entscheidend ist die Arbeit der politischen Verantwortlichen nach der Wahl. Daran sollten sie auch gemessen werden.

Innsbruck steht an einem kritischen Scheideweg. Die Stadt läuft Gefahr, sich zu einer primär auf Tourismus ausgelegten Stadt zu entwickeln und dabei die Interessen und Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu vernachlässigen. Wenn nicht bald umfassende Maßnahmen ergriffen werden, um diesen Trend umzukehren, droht der Stadt eine Entwicklung, die die Lebensqualität der eigenen Bevölkerung beeinträchtigt. Diese Lebensqualität ist abhängig vom kulturellen Angebot der Stadt. Dazu zählt auch die Clubkultur. Nur durch solche Maßnahmen kann Innsbruck als lebenswerte Stadt für alle erhalten bleiben. Wir fordern: Nicht nur labern, sondern handeln.

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