Tennissocken statt Spitzenschuhe

von Katharina Isser
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Mit Romeo und Julia von Sergej Prokofjew bringt das Tiroler Landestheater ein Ballett auf die Bühne. Wer sich Spitzenschuh-Romantik erwartet, hat sich geirrt.

Giftgrüne Jogging-Anzüge, Glitzerpailletten in Edelsteinfarben und viele hohe Socken. Das Ganze vor einem brutalistischen Bühnenbild, das an kahle Ostblock-Bauten und nicht ans Bolshoi-Theater erinnert. Romeo und Julia von Sergej Prokofjew kommt im Tiroler Landestheater ganz anders daher als ein klassisches Ballett mit luftigen Tutus und märchenhaften Szenerien.

Dramatisch dynamisch

Der größte Unterschied liegt nicht im Drumherum, sondern im Tanz selbst (Choreografie von Marcel Leemann). Wie es in zeitgenössischen Produktionen oft üblich ist, wurde auf Spitzentanz verzichtet. Die einzige Ausnahme bietet die Amme, getanzt von Olivia Swintek. Wieso sie sich als einzige en pointe befindet, erschließt sich mir nicht. Der Tanz auf Spitze wäre hier meiner Meinung nach verzichtbar gewesen. Denn er ist nicht wirklich harmonisch mit den anderen Bewegungen, die im Stück dominieren.

Statt gerader, langer Linien und präziser, klar definierter Formen sieht man hier alles fließen. Die Tänzer:innen heben die Arme, als wären sie im Thriller-Musikvideo von Michael Jackson (passend zu Halloween?), rollen über den Boden und halten in kaum einer Position auch nur einen Moment still. Das schafft eine Dynamik, die der dramatischen Handlung von Prokofjews Ballett, natürlich basierend auf Shakespeares Tragödie, nicht schlecht steht. Aber besonders, wenn (fast) das ganze Ensemble auf der Bühne ist, wird das Bild unruhig; man sieht überall zugleich hin und nirgends so richtig. Und auch in den ruhigeren Szenen ist viel los. Dabei verliert das Stück nie seine tragische Dramatik, aber doch etwas von seiner feineren Sentimentalität.

(c) Birgit Gufler

Die Tänzer:innen selbst sind technisch tadellos und durch ihr expressives Spiel mitreißend anzuschauen. Fantastisch natürlich auch das Tiroler Symphonieorchester unter der Leitung von Matthew Toogood. Es wird Prokofjews mitreißender Komposition (am bekanntesten ist der Tanz der Ritter) gerecht.

Wer mit zeitgenössischen Inszenierungen etwas anfangen kann, wird hier wohl eine gute Zeit haben. Spitzenschuh-Enthusiasten, die Schönheit, Leichtigkeit und Präsizion dem befreiten Ausdruck vorziehen, sollten der Inszenierung aber eher fernbleiben. Am Ende ist es Geschmackssache.

Romeo und Julia läuft noch bis Ende Jänner 2025 im großen Haus des Tiroler Landestheaters. Karten gibt es für alle unter 27 Jahren um 40 Prozent ermäßigt.

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