HNRX aus Inzing bezeichnet sich selbst nicht als typischen Graffitikünstler, sondern eher als Straßenkünstler. Seine Kunst ist surrealistisch und entsteht meist spontan aus Emotionen heraus. Bei den dargestellten Objekten handelt es sich vor allen Dingen um Alltagsgegenstände. Sie sind mal seltsam deformiert, mal gestochen scharf. Immer stehen sie in inhaltlichem Kontrast zueinander. Mit seiner Kunst möchte HNRX den Betrachter dazu anregen, die alltäglichen Dinge wieder mehr zu schätzen.
Unipress: Du siehst dich selbst nicht als Graffitikünstler, sondern als Straßenkünstler. Was ist der Unterschied?
HNRX: Beim Graffiti geht es hauptsächlich darum, seinen Namen in Form von Buchstaben auf die Straße zu bringen. Es handelt sich um klassisches Style-Writing in Blockbuchstaben. Mit dem habe ich nur wenig zu tun. Ich komme mehr aus dem figurativeren Bereich und fühle mich eher mit der Mentalität des Graffiti verbunden, also der Form und Farbensprache.
Außerdem sehe ich meine Kunst als etwas breit Gefächertes. Ich bediene mich sehr vieler verschiedener Medien: Ich mache Plakate, Textil und Installation. Mein Gebiet ist größer als das des Graffiti, deshalb möchte ich mich nicht darauf festlegen. Ich würde meine Kunst als Urban Art bezeichnen.
Unipress: Du hast Innenarchitektur an einer Hochschule gelernt. Wie beeinflusst das deine Arbeit heute?
HNRX: Meine Arbeiten sind sehr grafisch und konstruiert. Ich glaube, das hat damit zu tun, dass ich fünf, sechs Jahre lang in diese Richtung gedrängt wurde. Und natürlich habe ich mich sehr viel mit Innenraum- und Außenraumgestaltung beschäftigt. Das mache ich in gewisser Weise noch heute. Jetzt bin ich jedoch eher auf der anderen Seite. Früher war ich der Planer und jetzt bin ich eher der Verschönerer, einer der sich mit dem, was schon da ist, auseinandersetzt.
Unipress: Gibt es ein Werk, das dir besonders am Herzen liegt? Welches und warum?
HNRX: Es gibt aus jeder Phase Werke, die mich mehr mitreißen als andere. Meistens sind das Umbruchwerke. Also die ersten Werke, die die Verwendung einer neuen Technik oder einer neuen Farbe einleiten.
Außerdem bin ich mit den Werken draußen emotionaler verbunden als mit meinen Leinwänden. Mit den Werken auf der Straße gehen viele Geschichten einher. Sie erinnern mich an Umstände und Menschen, die ich auf meinen Reisen kennen gelernt habe.
2018 habe ich sehr viel produziert. Das war das Jahr, in dem ich von Sprühdosen auf konventionelle Fassadenfarben umgestiegen bin. Ich glaube, da habe ich einige schöne Wände produziert, die auch viele Überraschungen für mich selbst bereitgehalten haben. Ich habe gemerkt, was alles möglich ist, wenn man sich traut, aus seiner Komfortzone herauszugehen.
Unipress: Hast du eine Lieblingsfarbe?
HNRX: Nein, das würde ich nicht sagen.
Ich war immer sehr vorbehalten, was die Farbe Orange angeht. Früher habe ich sie nie oder nur sehr selten verwendet. Zurzeit nutze ich Orange für fast jede Arbeit. Es ist sehr überraschend, wie sich Dinge immer wieder wenden können. Durch die lange Zeit, die ich schon kreativ bin, komme ich irgendwann an den Punkt, wo ich was Neues ausprobieren will. Und dann kann es passieren, dass ich meinen alten Glaubenssätzen widerspreche.
Orange ist nicht meine Lieblingsfarbe, aber mit Grün kann ich immer etwas anfangen. Ich mag alle Arten von Grün. Grün ist eine Farbe, die immer wieder Platz in meiner Arbeit findet.
Unipress: Du hast deine Kunst in vielen verschiedenen Städten hinterlassen, hast Ausstellungen gemacht und zwei Festivals organisiert. Was hast du noch für Ziele?
HNRX: Meine Hauptmotivation ist das Finden und Optimieren von Kompositionen, also von Formen und Farbspielen. Ich habe nicht das Ziel, in 10 Jahren so oder so viel Geld zu verdienen und so oder so bekannt zu sein. Das entsteht alles nebenher, nur aufgrund meiner Lust auf Schaffensprozesse. Ich möchte meine Kunst weiterentwickeln, aufs nächste Level bringen und mich selbst dabei überraschen.
Jetzt gerade verbringe ich viel Zeit im Studio und arbeite an Leinwänden, weil ich Lust habe, in die Galeriewelt einzutauchen. Das wird auf jeden Fall eine Herausforderung und auch eine spannende Zeit werden.
Unipress: Was hat es mit der Inns’wurscht auf sich? Ist sie als Kritik an dem Motto der Stadt gedacht oder mehr eine liebevolle Hommage?
HNRX: Ich finde, viele Kunstwerke werden übererklärt. Meine Sprache ist die visuelle Sprache. Die Interpretation meiner Werke ist nicht meine Aufgabe, deswegen lasse ich das einfach mal so stehen.
Unipress: Du kennst die Szene in Innsbruck gut. Wie würdest du die Möglichkeiten für Graffitikünstler:innen beurteilen? Welche Künstler:innen in der Innsbrucker Szene muss man deiner Meinung nach kennen?
HNRX: Die Möglichkeiten, die man in Innsbruck hat, sind zahlreich. Wir haben viele legale Flächen, also Halls-of-Fame. Dort dürfen Künstler:innen jederzeit unangemeldet malen. Im Vergleich zu München und in Bezug auf die Größe der Stadt ist die Situation sehr fortschrittlich. Die Stadt ist bereit, Kooperationen einzugehen, deshalb weißt Innsbruck eine zufriedenstellende Größe und Qualität an Szene.
Ich glaube da gibt es einige Künstler:innen, die man nennen kann. ROK2 war, wie ich finde, seiner Zeit sehr voraus. Er war ungefähr bis 2008 aktiv, vielleicht ist er immer noch aktiv.
Dann gibt es noch einige Freunde wie Crazy Mister Sketch und Unknown, mit denen ich viel zusammengearbeitet habe und immer noch arbeite. Die meisten Künstler:innen in Innsbruck sind dem klassischen Graffiti zuzuordnen. Es gibt weniger figurative und konzeptuelle Streetart.
Unipress: Wie unterscheidet sich die Innsbrucker Szene von anderen Städten? Welche Stadt findest du am spannendsten?
HNRX: Wir haben viele Flächen, die mit der Landschaft spielen. Durch die Berge und notwendige Bauten wie Brücken und Dämme haben wir spannende Oberflächen. In München, Hamburg oder Berlin ist es sehr flach und dadurch gibt es solche architektonischen Möglichkeiten nicht.
Innsbruck ist auch eine Stadt mit sehr bunten Häusern. Und deshalb ist Farbe für die Stadt eigentlich nichts Neues. Außerdem gibt es die alte Tradition der Wandmalerei. Durch Graffiti hat sie ein neues Format angenommen. Es ist schön, die Tradition neu fortzuführen.
Unipress: Wie vernetzen sich Straßen- und Graffitikünstler:innen in Innsbruck?
HNRX: Die meisten Künstler:innen lernt man in der Hall-of-Fame kennen. Bei Aufträgen trifft man andere eher weniger und in den Innsbrucker Graffitishops sind zu wenig Leute, als dass man sich dort zufällig treffen würde. In größeren Städten wie Berlin oder Hamburg ist das anders. Viele Kontakte entstehen heute auch über Social Media.
Unipress: Was würdest du dir für die Künstler:innen in Innsbruck wünschen?
HNRX: Ich würde mir wünschen, weiterzumachen, Neues auszuprobieren und nicht stehen zu bleiben. Es wäre gut, anderen Künstler:innen Raum zu geben, auch wenn sie vielleicht noch nicht so gut sind. Jeder hat seinen Platz und darf ihn haben.
Und wer noch nicht genug hat: HNRX Werke in Innsbruck kann man am Autobahnpfeiler bei der Feldgasse, in der Schlossergasse, bei Casinos Austria, an der Radunterführung/Kreisverkehr in der Olympiastraße, der Leopold-Franzens-Universität an der Durchfahrt zwischen altem Gebäude und dem Turm der Geisteswissenschaften sowie an der Egger-Linz-Straße beim WiFi und dem Tyrolia Haus an der Lieberstraße sehen.