Vor dem Büro des Bürgermeisters im zweiten Stock des Innsbrucker Rathauses werde ich von geschäftigem Trubel empfangen. Drinnen ist es wie im Empfang einer modernen, aber heimeligen Bergstube: Viel Holz, gemütliche Sessel, Bilder an den Wänden. Wir sprechen kaum länger als zwanzig Minuten, doch auch in dieser Zeit lässt sich viel über den seit kurzem amtierenden Bürgermeister erfahren.
UNIpress: Sie haben auch in Innsbruck studiert. Wie blicken Sie auf die Zeit zurück?
Johannes Anzengruber: Ich habe zuerst auf der SoWi BWL studiert und das neben dem Berufsalltag gemacht. Das war wirklich eine tolle Zeit mit tollen Vorlesungen, Bekanntschaften und Festen. Ich erinnere mich an die Mensa- und SoWi-Feste. Weil ich im Gesundheitswesen tätig war, habe ich dann Gesundheitswissenschaften studiert, in Innsbruck und in Hall.
UNIpress: An welche Probleme erinnern Sie sich?
Johannes Anzengruber: Ich habe das Studieren durchweg positiv in Erinnerung. Es ergeben sich natürlich Schwierigkeiten, wenn man berufsbegleitend studiert. Aber es war eine geniale, sehr schöne, tolle Zeit.
UNIpress: Es hat sich seit Ihrer Studienzeit in Innsbruck einiges geändert. Mittlerweile ist bezahlbarer Wohnraum knapp, es fehlt an konsumfreien Räumen. Wie wird Innsbruck studierendenfreundlicher?
Johannes Anzengruber: Ich glaube, wir sind durchaus im Wohnbau und vor allem im Bau von Studentenheimen sehr gut unterwegs. Wir haben eine Studie gemacht, wo wir Potenziale für Studentenheime gesucht haben. Es entstehen mehr als 500 neue Zimmer. Das ist der richtige Weg. Innsbruck hat eine große Qualität, und als Student kann man die Vielfältigkeit unserer Stadt erleben. Natürlich lockt auch der tolle Naturraum mit den Trails und Mountainbike-Strecken. Gleichzeitig kann man sehr niederschwellig und fußläufig die Nacht erleben. Natürlich sind Ausgehlokale verschwunden. Aber es sperren immer wieder neue auf. Das wollen wir auch forcieren: dass immer mehr Raum und Platz entsteht, sowohl für den Tag als auch für die Nacht.
UNIpress: Gerade die schließenden Clubs sind unter Studierenden immer Thema. Das Cubique hat geschlossen, der Dachsbau…
Johannes Anzengruber: Und der Dachsbau hat wieder geöffnet. Da versuchen wir viel zu tun und auch immer wieder zu vermitteln. Wir sind offen, wenn junge Leute Ideen haben für Veranstaltungen oder Nacht-Gastronomie. Was uns auch interessiert, ist die Aufenthaltsqualität im Zentrum im öffentlichen Raum. Ob das die Aktivierung des Englischen Gartens ist, die Planung eines Hofgartencafés, die Steigerung der Attraktivität, was die Plätze betrifft. Wir möchten uns auch mit dem Marktplatz beschäftigen. Wir haben beim Sonnendeck eine Lösung. Natürlich möchten wir unsere Stadt klimafit machen. Damit unsere Stadt weiterhin attraktiv bleibt, damit man an konsumfreien Plätzen Zeit verbringen kann, Partys und Ausgehmöglichkeiten hat. Ich glaube, da sind wir auf einem sehr guten Weg. Wir haben uns im Rahmen unseres Zukunftsplans viel vorgenommen, und ich freue mich darauf. Auch auf Veranstaltungen, die nicht nur bis 22 Uhr, sondern auch länger stattfinden können. Aber wir befinden uns natürlich immer im Spannungsfeld mit Anwohner:innen und behördlichen Vorgaben. Ich setze mich dafür ein, dass Feste und Veranstaltungen stattfinden. Dafür, dass man Freunde und Spaß haben und Innsbruck genießen kann.
UNIpress: Sie haben auch das Sonnendeck angesprochen. Dort konnte jetzt eine Lösung gefunden werden.
Johannes Anzengruber: Das war durchaus nicht einfach. Es hat mehrere Vor-Ort-Begehungen gebraucht, wo wir wirklich alle eingebunden waren und wir gesagt haben: „Okay, wir brauchen jetzt eine Lösung.“ Für mich war es schockierend, einen zwei Meter hohen Zaun zu haben, wenn ich dort mit dem Rad fahre oder zu Fuß gehe oder auch nur aus der Hauptuni rausgehe. Das geht nicht für eine Stadt wie Innsbruck. Mein Versprechen war, dass wir sofort den Bauzaun reduzieren, und das haben wir umgesetzt. Und nun haben wir auch weitere Maßnahmen eingeleitet, die wir bald final umsetzen. Es ist auch gelungen, wieder Sonnendeck-Veranstaltungen stattfinden zu lassen. Wir haben mit den Behörden und den Veranstaltern gesprochen, und an diese Gespräche wollen wir weiter anschließen. Damit die Aufenthaltsqualität und auch das Verweilen neben dem intensiven Studieren auf der Uni auch gegeben ist.
UNIpress: In Innsbruck leben nicht nur Einheimische, sondern zum Beispiel auch Geflüchtete. (Anmerkung: Siehe Seiten 6-7 in diesem Heft für die Geschichte eines jungen Mannes, der von Syrien nach Österreich kam.) Wie kann Innsbruck für diese Menschen zur neuen Heimat werden?
Johannes Anzengruber: Wir haben uns da sehr viel vorgenommen. Das steht ganz klar im Koalitionsvertrag und im Zukunftsplan. Wir wollen die Integration stärker forcieren. Wie wollen Angebote schaffen. Wir wollen die Leute mitnehmen, zum Beispiel im Sommer durch intensive Schulvorbereitungen für geflüchtete Kinder und Jugendliche. Wir haben gemeinsam mit Stadträtin Mayr [Elisabeth Mayr, SPÖ, Anm.] Schwimmkurse organisiert. Wir wollen den Leuten unter die Arme greifen. Damit sie sich hier geborgen fühlen und die Chance haben, integriert zu werden. Am Ende des Tages braucht es nicht nur Großunterkünfte, sondern eine gesunde Verteilung. Wir möchten den Geflüchteten auch die Möglichkeiten aufzeigen, hier Berufe zu ergreifen, denn viele sind qualifiziert und haben Ausbildungen. Sodass wir hier alle gemeinsam, sowohl die Geflüchteten als auch wir, eine Win-win-Situation haben.
UNIpress: Gerade Geflüchtete sind das Ziel von Hass und Gewalt von rechts. Der Rechtsruck ist auch in Innsbruck politisch spürbar. Wie wollen Sie diesem begegnen?
Johannes Anzengruber: Ich glaube, dass gerade auch diese Gemeinderatswahl gezeigt hat, dass Innsbruck da anders tickt. Für mich steht der Mensch, die Unterstützung der Bevölkerung, aller, die in Innsbruck verweilen, an erster Stelle. Die Koalition lässt wenig Rechtsruck spüren. Wir haben die Grünen mit dabei, die SPÖ. Ich bin parteifrei, aber immer zum Wohle der Stadt. Ich bin ganz klar ein Mann der Mitte. Ich spüre vom Rechtsruck in der Stadt Innsbruck wenig und werde den auch nicht zulassen.
UNIpress: Sie haben vorhin von der Bergwelt in Innsbruck gesprochen, die von der Bevölkerung als auch Tourist:innen genutzt wird…
Johannes Anzengruber: Deshalb sind wir ja da.
UNIpress: Die meisten Studierenden auch. Wie schützen wir die Bergwelt am besten?
Johannes Anzengruber: Wir haben eine Waldschule, wir investieren in Kooperationen mit Kindergärten, Volksschulen und Mittelschulen, aber auch mit der ÖH. Wir klären auf über Biodiversität. Wir haben Projekte gestartet, auch ein EU-Projekt, was den Stadtwald betrifft. Wir haben auch Versuchsflächen, wo wir Baumarten testen. Im ganzen Nordketten- und auch im Patscherkofelbereich sind wir dran, klimafitte Wälder umzusetzen und pflanzen mehrere tausend Bäume, um die Natur zu schützen. Natürlich ist jeder einzelne dazu aufgefordert, seinen Beitrag zu leisten. Ganz klassisch: Den Müll, den man mitnimmt, trägt man auch wieder nach Hause. Ich wünsche mir mehr, dass alle lernen, die Natur auch zu schätzen. Die Natur zwar zu nutzen, aber auch durchaus die Natur wahrzunehmen. Man kann hier fußläufig und mit der Bahn den höchsten Punkt der Stadt erreichen. Immer, wenn man möchte, kann man mal alleine durch den Wald spazieren. Das ist das Tolle an dieser Stadt. All unsere Projekte wollen wir forcieren, da werden wir auch nicht lockerlassen. Aber wir sind alle dazu aufgerufen, die Natur zu schätzen. Und auch bitte über der Waldgrenze auf den Wegen zu bleiben.
UNIpress: Ein kurzes Bild. Wie sieht Innsbruck am Ende Ihrer Amtszeit aus?
Johannes Anzengruber: Ich möchte dann mit dem Cappuccino auf dem neuen Bozner Platz sitzen. Ich habe als Bürgermeister gerade einmal 100 Tage hinter mir, aber noch 2000 Tage harter Arbeit vor mir. Ich wünsche mir eine weltoffene Stadt, die klimafit ist und nachhaltig. Und es wird Mountainbikestrecken geben. Wir werden eine Stadt haben, in der es Freude und Spaß macht zu leben. Ich möchte darauf aufmerksam machen, wie schön wir es haben, welche Qualität wir haben, und dass wir diese mehr schätzen, dass wir ein Wir-Gefühl stiften. Das können wir gemeinsam erreichen, und das werden wir schaffen.
UNIpress: Noch drei schnelle Fragen zum Ende: Ist Innsbruck eine Großstadt oder ein Bergdorf?
Johannes Anzengruber: Innsbruck ist natürlich eine Großstadt. Nicht die größte, aber für mich die größte.
UNIpress: Patscherkofel oder Hafelekar?
Johannes Anzengruber: Hafelekar ist einzigartig. Immer wieder, wenn ich dort oben bin und runterschaue, gehen mir sehr viele Emotionen durch den Kopf, da kribbelt es am ganzen Körper. Aber durchaus auch der Patscherkofel. Dort habe ich meine Anfänge gemacht im Skisport.
UNipress: Innsbruck für Studis oder Touris?
Johannes Anzengruber: Innsbruck für alle.