Feierabendbier, Wegbier, Strafbier, Konterbier – Bier ist wortwörtlich in aller Munde. Über 100 Liter trinkt jede:r Österreicher:in durchschnittlich pro Jahr. Wer jedoch lieber nüchtern bleibt und sich jetzt denkt: „Ist doch alles nicht mein Bier!“, dem sei gesagt, dass das geschätzte Gebräu nicht nur Genuss-, sondern auch Kulturgut ist. Es ist sogar schon so lange mit unserer Geschichte verbunden, dass man nicht einmal genau weiß, wer den ersten Schluck nahm. Wahrscheinlich geschah dies im Zuge der Sesshaftwerdung, als die Menschen begannen, Getreide anzubauen und zu verarbeiten. Sie entdeckten vermutlich durch Zufall, dass ein Gemisch aus Wasser und gequetschten Körnern fermentiert – das Ur-Bier war geboren. Die ersten handfesten Belege zur Bierherstellung sind über 6000 Jahre alt und stammen von den Sumerern, die auf Tontafeln den Produktionsprozess, die Rezeptur und den Ausschank des Getränks festhielten. Auch für die Babylonier und die alten Ägypter wurde Bier zu einem wichtigen Lebensmittel für Konsum und Handel. Obwohl die alten Griechen und Römer sich eher dem Genuss von Wein zuwandten, blühte die Braukunst im Mittelalter wieder auf. In Klöstern wurden neue Rezepte für die Herstellung entwickelt, verbessert und weitergereicht. Wichtige technologische Neuerungen wie die Dampf- und Kältemaschine ermöglichten schließlich die industrielle Bierproduktion der Moderne. Die besteht aus drei wichtigen Schritten: Mälzen, Würzebereitung und Gärung. Schauen wir also noch ein bisschen tiefer ins Glas und diese drei Schritte genauer an.
Mälzen
„Hopfen und Malz, Gott erhalt’s“, da sind wir uns einig. Aber was genau ist eigentlich dieses Malz, von dem in dem altbekannten Spruch die Rede ist? Kurz gesagt handelt es sich bei Malz um Getreide, das zunächst zum Keimen gebracht und dann getrocknet wird. Wozu das Ganze? Eins ist klar: Damit wir später ordentlich einen über den Durst trinken können, muss Bier Alkohol enthalten. Und um Alkohol zu gewinnen, muss Zucker vergären – Getreide enthält aber hauptsächlich Stärke. Die Lösung dieses Problems schlummert zum Glück in den Körnern selbst: Durch die Keimung werden nämlich Enzyme aktiviert, die später die Stärke in Zucker umwandeln können.
Die Körner werden zuerst in Wasser eingeweicht und keimen dann einige Tage lang, bis das sogenannte Grünmalz entstanden ist. Dann wird’s heiß: Durch das Einströmen von erhitzter Luft wird die Keimung unterbrochen, im Brauerlatein heißt das „Darren“. Dann werden noch die Keime entfernt und das fertige Malz kann gut gelagert und transportiert werden. Aus diesem Grund geschieht die Malzherstellung meist nicht in der Brauerei selbst, sondern in der Mälzerei, zählt aber schon als erster Schritt des Brauprozesses.
Denn das Malz gilt als die „Seele des Biers“ und hat einen wichtigen Einfluss auf das Bieraroma. Nicht umsonst ist die Mälzerei eine Wissenschaft für sich – und das beginnt schon bei der Wahl des Getreides. Beim Weizenbier wird – wer hätte es gedacht – Weizen verwendet; ansonsten hat sich vor allem Gerste durchgesetzt, da diese eine besonders hohe Aktivität an stärkeabbauenden Enzymen aufweist. Weitere Parameter bei der Mälzung sind zum Beispiel der Wassergehalt der geweichten Körner, die Keimzeit und die Temperatur beim Darren. Letztere ist besonders wichtig für Farbe und Aroma des Biers. Bei niedrigen Darrtemperaturen ist das Malz heller und hat nussige und süße Aromen. Für steigende Temperaturen wird das Malz zunehmend dunkler und der Geschmack wird würziger bis karamellartig.
Würzebereitung
Ist das Malz in der Brauerei angekommen, machen sich die Enzyme fleißig an die Arbeit. Um ihnen eine größere Oberfläche zu bieten, wird das Malz geschrotet. Durch die Hinzugabe von warmem Wasser entsteht die sogenannte Maische, deren Temperatur im nächsten Schritt stufenweise erhöht wird. In den unterschiedlichen Temperaturbereichen sind verschiedene Enzyme aktiv. Einige bauen Proteine ab, andere Gerüstsubstanzen der Körner und die sogenannten Amylasen schließlich die Stärke. Dadurch entsteht Zucker, genauer gesagt Maltose und Dextrine.
In der Maische verbleibende Feststoffe wie die Getreidespelzen werden beim Prozess des Abläuterns herausgefiltert. Dieser Rückstand wird Treber genannt und ist keineswegs für die Tonne, sondern kann noch als Viehfutter oder zum Brotbacken verwendet werden. Der verbleibende flüssige Anteil heißt Würze und enthält die gelösten Stoffe der Malzkörner.
Die Würze liegt nun ausnahmsweise nicht in der Kürze, sondern in der Würzepfanne. Hier kommt der Hopfen ins Spiel: In Form von Pellets wird er der Würze hinzugegeben, die dann gekocht wird. Die Enzyme haben ihre Arbeit getan und werden durch das Kochen zerstört. Die Aroma- und Bitterstoffe aus dem Hopfen lösen sich und überschüssiges Wasser verdampft. So wird die Stammwürze fixiert, also der Anteil gelöster Stoffe in der Würze.
Übrigens war Hopfen nicht schon immer ein fester Bestandteil der Bierrezeptur: Noch im Mittelalter wurden abenteuerliche “Gewürze” wie Späne, Ruß, Pech, Bilsenkraut, Rosmarin oder Schafgarbe verwendet. Erst nach und nach setzte sich Hopfen durch und mit dem Reinheitsgebot von 1516 wurde in Bayern die Zutatenliste schlussendlich auf Gerste, Hopfen und Wasser gekürzt. Damit besteht eine ungeahnte Verwandschaft von Bier zu einem gewissen anderen Rauschmittel: Hopfen gehört nämlich zur Familie der Hanfpflanzen, genannt Cannabaceae. Da er kein THC enthält, ist von heimlichem Hopfenanbau in Studierenden-WGs allerdings nichts zu hören.
Im letzten Schritt der Würzebereitung hat die Brauerei noch etwas Luxusflair zu bieten: Im sogenannten Whirlpool werden Trübstoffe aus der Würze entfernt und es folgt die Kühlung auf Gärtemperatur.
Gärung und Reifung
Für die Hauptgärung wird die Würze mit Hefe angestellt. Hefe, das sind einzellige Pilze, von denen über 600 Arten bekannt sind. Im Reinheitsgebot von 1516 ist von dieser Zutat aber nicht die Rede, da Hefesporen zufällig aus der Luft aufgenommen wurden. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde dieser Prozess von dem französischen Chemiker und Mikrobiologen Louis Pasteur untersucht und die Gärung damit kontrollierbar. Die Hefe spaltet etwa eine Woche lang den Malzzucker zu Glucose, die wiederum zu CO2 und Ethanol abgebaut wird. Anders gesagt: Das Bier sprudelt und macht besoffen! Ganz am Ende sind wir damit aber noch nicht: Bei der Hauptgärung entsteht nur das sogenannte Jungbier. Erst bei der Reifung über mehrere Wochen rundet das Aroma des Biers ab und weitere Trübstoffe sedimentieren. Schließlich werden letzte Trübstoffe durch Filtration entfernt und das Bier wird abgefüllt. Zum Wohle!
Wer seinen Wissensdurst noch nicht gestillt hat, dem sei ein Besuch in einem Brauereimuseum empfohlen, zum Beispiel in Salzburg oder München. Oder man überdenkt seine Studienwahl noch einmal ganz genau – an der Technischen Universität München kann man Brauwesen und Getränketechnologie nämlich sogar studieren. Aber auch ohne langes Studium kann man graue Theorie in goldgelbe Praxis umwandeln und Bier selbst herstellen. Wie das geht, erklären Raphael Waser und Laura Kogler