Michael Strasser vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck ist Co-Leiter des 86. Projekt der dritten Projektphase des International Ocean Discovery Program – dem IODP 386. Der Expedition, die zwei Tiefen-Weltrekorde brach.
Wie ist unser Leben entstanden? Wie entwickeln sich die Kontinente und die Meere? Wie hat sich das Klima entwickelt und verändert und wie wird es sich in Zukunft verändern? Was sind die Gefahren, die vom Meeresboden ausgehen? Das sind Fragen, die das IODP stellt – und beantworten will. Seit 50 Jahren bohrt das Projekt im Meeresboden, um die großen Erdsystemzusammenhänge unseres Planeten verstehen zu können. Hier geht es um Erdbebenforschung.
Eine Subuk- was?
Subduktionszonen. Angetrieben durch den „Motor im Inneren“, damit meint Strasser Wärme und Massenströme des Erdmantels, bewegen sich die Erdkrustenplatten unseres Planeten. Dadurch kann eine ozeanische Platte unter eine kontinentale Erdplatte tauchen, sprich, eine Subduktionszone entsteht. An diesen Plattengrenzen „verhaken“ sich zwei Platten, die Spannung nimmt zu, bis sie dann durch Großerdbeben abgebaut wird. Ebendiese Erdbeben sind für Tsunamis verantwortlich – „eine der katastrophalsten Naturkatastrophen, die wir so kennen“, so Strasser.
Für Antworten muss tief gebohrt werden – wortwörtlich!

Bild: ECORD
Von Mai bis Juni 2021 wurden fast sieben Wochen lang mithilfe von Bohrungen Proben aus der Tiefsee entnommen, um so die Erdbebengeschichte zu rekonstruieren. „Wie wenn man von Bregenz bis Wien systematisch vermisst und beprobt“, erklärt Prof. Strasser.
Die Proben kommen in Plastikröhren und werden dann aufgeschnitten. Strasser lacht: „Wie ein Buch unserer Erdgeschichte.“ Jede Lage der Sedimente des Meeresbodens bringt uns tiefer in die Geschichte unserer Erde.
Chemische, biologische und physikalische Messungen wurden an diesen Sedimentsschichten im März/April 2022 durchgeführt und Erstbeschreibungen festgehalten.
„Vor etwa 10 Jahren hätte man das noch nicht machen können.“
Mit den Bohrungen in mehr als 8000 Metern Tiefe wurden zwei Tiefen-Weltrekorde gebrochen. „Eine ozeanische Platte, weil sie so schwer ist, taucht tief runter und formt dann diese Tiefseegräben – die tiefsten Orte unserer Erde.“
Die Wissenschaft habe erst in den letzten zehn Jahren überhaupt die Möglichkeit geschaffen, dass ebendiese tiefsten Orte unseres Planeten studiert und lokalisiert werden können. Bis auf 20 Meter genau muss das Schiff an der vorgesehenen Stelle die Probe entnehmen. Proben werden auf den Meeresgrund heruntergelassen und wieder heraufgezogen; dazu muss es acht Stunden lang stabil am Ort stehen.
Zu beachten sind dabei Stürme und Strömungen – riesige “Ozeanflüsse”, die Wasser von einem Äquator in Richtung Norden transportieren, wie Prof. Strasser erklärt. „Der Kapitän dieses Schiffs ist ein Held!“, bewundert Strasser, als er von den Herausforderungen berichtet.
„Es hat geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben!“
Gewisse Erwartungen an die Proben habe das Team gehabt, erklärt Strasser. Mithilfe von Schallwellen wurde im Vorhinein der Meeresboden durchleuchtet und so die Bohrlokationen ausgewählt.
„Das war eigentlich der erste Erfolg“, erklärt Prof. Strasser und freut sich: Im November soll das erste Mal das gesamte Wissenschafts-Team, sprich 32 Wissenschaftler:innen aus elf verschiedenen Ländern, in Japan aufeinandertreffen – etwas, das bisher aufgrund von Corona nicht möglich war. Er stellt fest: „Wir sind allerdings noch weit davon entfernt, alles ausgewertet zu haben.“
„Die Forschung beginnt eigentlich erst jetzt!“
Die Proben werden in den elf Laboren auf der ganzen Welt analysiert. „Das Dokumentieren und Sammeln der Proben wird uns die nächsten Jahre beschäftigen“, so Strasser, „bis wir endlich alle einzelnen Puzzleteile so zusammengepuzzelt haben, dass wir dann hoffentlich unser Verständnis über die Langzeitaktivität von Erdbeben und Vulkanen und deren Interaktion auf Zeitskalen von 10.000-100.000 Jahren rekonstruieren können.“

Foto: Chiara Geppert
Und jetzt?
Langzeitperspektive. Darauf hofft Strasser mit den Ergebnissen der Bohrungen: „Um abschätzen zu können, was alles geschehen kann. Ansonsten müssen wir uns immer nur auf Modelle verlassen, was Erdbeben angeht.“
Aber jede Modellrechnung habe Annahmen, wodurch das Vorausschauen auf Erdbeben unpräzise würde.
„Das ist unser Beitrag mit solchen Expeditionen: Wir tragen eigentlich dazu bei, dass wir robuste Daten aus der Vergangenheit liefern, um diese Modelle zu testen und zu prüfen. Oder aber auch schon die Variabilität der Natur, die wir auch schon so dokumentieren, in die Modelle einfließen zu lassen. Denn die meisten Modelle sind oft simpel, trotz Super-Computer.“
Erst durch eine Langzeitperspektive ließen sich Erdbeben genauer vorhersehen und folgende Fragen beantworten:
Wie genau hängen Erdbeben zusammen? Was ist das größtmögliche Erdbeben? Wie häufig kommen die vor? Gibt es Regelmäßigkeiten oder sind sie zufällig? Wie genau hängt alles zusammen?
„Das sind Fragen, die ich gerne beantworten würde – als Weltbürger“, sagt Prof. Strasser und lacht.