Österreich. Ungefähr 54.000 Tierarten haben hier ihr Zuhause, wovon die Gruppe der Insekten mit über 40.000 Arten den größten Teil ausmacht. Bienen gehören zur Gruppe der Hautflügler und sind mit 700 Arten in unseren heimischen Ökosystemen vertreten. Die altbekannte Honigbiene, die vielen das Frühstück versüßt, stellt nur eine dieser Arten dar.
Anders als bei den meisten heimischen Bestäubern, steht die Existenz der Honigbiene nicht in Gefahr. Im Gegenteil – die kleinen Brummer erfreuen sich erstklassiger Betreuung durch Imker, die sie mit bestem Gewissen umsorgen. Allerdings wurde die Honigbiene – durch diese gezielte Zucht – mittlerweile zum Hochleistungs-Nutztier gemacht, was viele negative Konsequenzen für die Diversität der heimischen Bestäuber mit sich bringt. Ohne Unterstützung durch die Imker wäre sie nicht in der Lage das Ökosystem so zu dominieren, wie sie es derzeit tut.
Honigbienen pflegen eine eusoziale Lebensweise. Das heißt – sie leben in einem Stock mit Arbeiterinnen, Drohnen und einer Königin, die alle streng im Griff hat. Unsere Wildbienen, dagegen, leben großteils solitär, bilden nur kleine Staaten (wie beispielsweise Hummeln) oder stehen in Assoziation mit anderen Bienen.
Wo steckt die Bedrohung?
Die Wurzel allen Übels ist, wie in den meisten Fällen von reduzierter Artenvielfalt, die fortschreitende Modernisierung unserer Landwirtschaft. Der monokulturelle Anbau und zunehmender Einsatz von Pestiziden und Düngern führten dazu, dass “echte” Pflanzenvielfalt nur mehr auf kleinen Flächen zu finden ist.
Selbst regelmäßiges Mähen im eigenen Garten hat eine reduzierte Nektarverfügbarkeit zur Folge. Nicht nur unsere heimischen Hautflügler leiden bei der Nahrungsbeschaffung unter den Konsequenzen dieser veränderten Landschaften. Auch Imker sehen sich gezwungen ihre Stöcke mit Honigbienen in die Nähe von blumenreichen Wiesengebieten zu bringen – dem ohnehin schon stark reduzierten Lebensraum der vielen Wildbestäuber.
Honigbienen lieben Artenvielfalt und große Mengen an Blüten – mithilfe ihres bekannten Schwänzeltanzes berichten die nektar-sammelnden Arbeiterinnen ihrem Stock begeistert von einem gesichteten Blütenmeer. Sie sind im Gegensatz zu unseren Wildbienen Generalisten, was bedeutet, dass sie eine große Vielzahl an unterschiedlichen Blumenarten besamen können. Heikel sind sie nicht – Hauptsache Nektar ist in großen Mengen zu finden. Vereinzelte Blüten interessieren sie daher nicht.
Im Gegensatz dazu sind Wildbienen Spezialisten. Viele davon, wie zum Beispiel die Knautien-Sandbiene, können nur den Pollen einer einzigen Pflanzenfamilie nutzen. Hinter solchen besonderen Beziehungen zwischen Pflanze und Insekt stecken Millionen Jahre intensives Zusammenspiel. Solche Arten sind gemeinsam über diesen unfassbaren Zeitraum hinweg Hand in Hand evolviert. Dieses Phänomen wird „Co-Evolution“ genannt. Wenn also alle Knautienblüten von der Honigbiene “abgeerntet” werden, so kann die Knautien-Sandbiene nicht einfach auf eine andere Blütenart ausweichen.
Doch schwindende Nahrungsquellen sind nicht die einzige Bedrohung unserer Bestäuber. Viele solitär-lebenden Wildbienen bauen ihre Nester in lockeren Sandböden. Aufgrund von urbanen und industriellen Verbauungen kommt es allerdings zu einer Verdichtung und Versiegelung der Böden, was zur Zerstörung von Nistplätzen führt.
Imker: Umweltretter oder Landwirt?
Aufgrund des medialen Aufschreis haben es sich nun viele zur Berufung gemacht das Aussterben der „Bienen“ durch Imkerei zu verhindern. Vielen ist nicht klar, dass dies genau das Gegenteil zur Folge hat.
Lassen wir uns die Zahlen durch den Kopf gehen.
Heimische Imker besitzen durchschnittlich 12 Völker, wobei ein Staat im Sommer ungefähr 60.000 Arbeiterinnen hat. Inzwischen sind, allein in Völs, im Umkreis von einem drei Kilometer langen Radius 53 Imker tätig. Nehmen wir an, all diese Imker besitzen 12 Staaten, dann schwirren auf so kleinem Raum um die 38 Millionen Honigbienen umher. Die Arbeiterinnen dieser gigantischen Armee sammeln wie Hochleistungsmaschinen in diesem Radius den gesamten Nektar, der ihnen unterkommt.
Wie viele Blüten besuchen diese Armeen? Im Jahr erntet ein Imker mit 12 Völkern 360 Kilogramm Honig. Allerdings haben auch die Bienenvölker einen Eigenbedarf, der gedeckt werden muss. Dieser liegt zwischen 50 und 70 Kilogramm pro Volk (mehr als 600 Kilogramm pro Imker). Insgesamt liegt die Produktion also bei weit über 960 Kilogramm Honig. Um einen Kilogramm Honig zu produzieren braucht ein Volk fast drei Mal so viel Nektar. Um auf solche Mengen zu kommen brauchen 12 Völker circa 720 Millionen Blüten. Genaueres zur Berechnung kann einem Dokument von Peter Fürtwirth über die Leistung von Bienenvölkern in ihrer Nahrungsbeschaffung entnommen werden.
Das große Hungern – Die Konsequenzen
Im Botanischen Garten steht eine Silberlinde, die sich zu einem Hotspot für viele Hautflügler entwickelt hat, da sie eine der wenigen Baumarten ist, die bis in den frühen Sommer hinein blühen. Da sonst Wiesen und Gärten insbesondere im Juni regelmäßig und flächendeckend gemäht werden, stellt sie um diese Jahreszeit somit eine der wenigen verfügbaren Nektarquellen dar.
Mit Entsetzen wurde allerdings festgestellt, dass sich der Platz unter der Linde zu einem Sammelfriedhof entwickelt hat. Zunächst bestand die Vermutung, dass der Nektar giftig sei, jedoch stellte sich heraus, dass die Hummeln während der erfolglosen Suche nach Nektar verhungerten und starben. Hummeln haben aufgrund ihrer verhältnismäßig großen Körpermasse eine hohe Stoffwechselrate und damit einhergehend einen hohen Energieverbrauch. Das bedeutet also, dass sie ausreichend Nektar benötigen, um genug Energie für den Erhalt ihrer Körperfunktionen zu haben – vor allem während des Fliegens.
Doch Nektar war keiner mehr zu finden – Honigbienen hatten die Blüten der Silberlinde schon bis aufs Kleinste abgeerntet. Das Einzige, was den hungernden Hummeln somit blühte, war der Tod.
Wie können wir dem entgegenwirken?
Idealerweise sollte das Problem an der Wurzel gepackt werden, indem nachhaltige Alternativen für die von Monokulturen und Pestiziden geprägte Landwirtschaft entwickelt werden. Dies ist allerdings ein großer Schritt, der aufgrund unserer gesellschaftlichen Abhängigkeit nur schleppend vorangeht.
Darüber hinaus ist es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass Imker keine Umweltretter sind, sondern Landwirte. Diese Erkenntnis sollte nicht nur für die Konsumenten gelten, sondern vor allem für die Imker selbst. In der Ausbildung zur Imkerei besteht im Hinblick auf diese Problematik keine Aufklärung – viele Bienenzüchter sind selbst überrascht, wenn sie von einer Mitschuld am heimischen Insektensterben erfahren.
Imker sollten zusätzlich darauf achten, ihre Stöcke in einem Abstand von mindestens einem und idealerweise drei Kilometern Entfernung von Naturschutzgebieten aufzustellen. So kann eine Überlappung mit den intakten Habitaten von tausenden Arten wilder Blumenbesuchern verhindert werden. Angemessener wäre es gar eigene Insektenschutzgebiete zu schaffen.
In Österreich gibt es in dieser Hinsicht schon Pioniere, denen das Problem bereits viel früher bewusst war. In einigen Gemeinden Vorarlbergs, beispielsweise Rankweil, wurden eigens Grünflächen für Wildbestäuber angelegt.
Zu Beginn wurde dieser Versuch von Bewohnern der Gemeinde stark kritisiert, da das Heranwachsen dieser Grünflächen nicht sofort das Auge erfreute. Doch nach nur einem Jahr begeisterten die wunderschön bewachsenen Flächen die Einwohner. Vor allem aber sind die Wildbienen dankbar, von denen nun schon über 130 unterschiedliche Arten auf den Blühflächen aufgefunden werden konnten. Aufgrund des lockeren Bodengefüges und der Pflanzenvielfalt dienen sie ihnen als Zufluchtsort und Lebensraum.
In Tirol folgen einige Gemeinden diesem Modell, jedoch lässt sich über die Herangehensweise diskutieren. Tatsächlich gibt es vielerorts Versuche, beispielsweise auf Kreisverkehrsinseln, Wildblumenflächen anzulegen. Obwohl die Idee prinzipiell wertvoll ist, liegt das Problem bei der Umsetzung. Die Pflanzenarten, mit denen die Kreisverkehrsinseln bepflanzt wurden, sind kaum auf unsere heimischen Insektenarten abgestimmt, und der grobe Schotter-Boden stellt auch keinen geeigneten Nistplatz dar. Zu dieser Kategorie zählt unter anderem auch die Insel bei der Völser Cyta. Solche Verkehrsinseln wurden vermutlich nur für die Honigbienen der Imker konzipiert – unsere Wildbienen können damit nur wenig anfangen.
Was können wir zu Hause tun?
Für diejenigen, die selber ihren Beitrag zum Schutz der Wildbienen leisten möchten, gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Solltet ihr einen Balkon oder ein kleines Gärtchen besitzen, könnt ihr Blumen- und Kräuterstreifen mit heimischen Arten anlegen und anstatt alles davon zu ernten, Teile davon aufblühen lassen.
Zusätzlich könnt ihr Äste mit dickerem Durchmesser beim Spazierengehen oder Wandern aufsammeln und dann verschieden große Löcher hineinbohren. Wenn ihr diese anschließend draußen aufstellt, freuen sich viele Wildbienen über das Obdach.
Vor allem ist es aber auch wichtig, den eigenen Garten wachsen zu lassen. Ein unaufgeräumter Garten ist ein gepflegter Garten – dort herrscht die meiste Artenvielfalt von vielen Organismen und somit ein optimales biologisches Gleichgewicht. Das ist ein guter Grund ein wenig zu faulenzen! Mit jedem Mal Mähen und Unkraut jäten gehen nämlich hunderte wichtige Nahrungsquellen für unsere Bestäuber verloren.
Auf diese Art und Weise können wir selbst auf kleinstem Raum das Fortschreiten des Wildbienen-Sterbens verhindern und weiter ohne schlechtes Gewissen unseren Honig genießen.
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit dem Wildbienen-Spezialisten Mag. Timo Kopf. Er ist freiberuflicher Biologe und externer Lehrbeauftragter. Zwar dreht sich seine Forschung hauptsächlich um Laufkäfer, doch seit 19 Jahren hat er sein Metier auch den Bienen verschrieben.