Wie wir schlafen: Der Schlüssel zum Traumland

von Anna Lena Tonner
Lesezeit: 7 min
Guter Schlaf ist sogar noch wichtiger als bisher angenommen. Und so ranken sich um die nächtlichen Stunden so manche Mythen, Tricks und Trends. UNIpress hat bei Expert:innen nachgefragt.

Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend – oder versuchen es zumindest. Ein Thema, das uns also alle tagtäglich oder vielmehr allnächtlich beschäftigt. Schlaf ist wichtig. Aber wie wichtig Schlaf wirklich für unser Wohlbefinden ist, ist den meisten nicht bewusst. Lange Zeit stand der Schlaf auch in der Wissenschaft im Hintergrund. Dabei stellt das nächtliche Schlummern nicht bloß einen Baustein unserer Gesundheit dar: Schlaf legt das gesamte Fundament.

Wie alles auf der Welt versucht der Mensch daher auch, seinen Schlaf zu optimieren. Um herauszufinden, wie dies in der Praxis aussieht, hat UNIpress der Schlafmanufaktur einen Besuch abgestattet. Das Familienunternehmen im Herzen Innsbrucks hat sich auf die Optimierung von Schlafkomfort und Schlafgesundheit spezialisiert. Auch die Schlafforscherin Univ.-Prof. Dr. Birgit Högl kommt zu Wort, gibt uns Einblicke in ihre Arbeit an der Neurologie der Universität Innsbruck und teilt dabei Tipps für einen besseren Schlaf.

Wenn sich der Sandmann verirrt: Verbreitete Schlafstörungen

Früher war wohl doch manches besser – zumindest im Hinblick auf die Schlafdauer der Menschen. „In den letzten 20 Jahren hat diese in der Bevölkerung mehr als eine Stunde abgenommen“, erklärt Högl, die von sich selbst sagt, dass sie „wunderbar“ schlafe. Diese Abnahme der Schlafdauer korreliert unter anderem stark mit der Zunahme der Fettleibigkeit unter der Bevölkerung, was wiederum Einfluss auf die Gesundheit der Menschen nehmen kann.

Immer mehr Menschen kommen mit Schlafstörungen wie Insomnie, Schlafapnoe oder dem Restless-Legs-Syndrom in das Innsbrucker Schlaflabor. Dabei sind Schlafstörungen in allen Altersgruppen verbreitet, wie Högl berichtet. An der Spezialambulanz für Schlafstörungen der Universitätsklinik für Neurologie reicht die Altersspanne der Personen, die im Zusammenhang mit Schlafstörungen zur Abklärung bzw. auch Therapie zugewiesen werden, vom 18. bis 100. Lebensjahr. Die zu behandelnden Schlafstörungen und ihre Ursachen sind vielseitig. Insgesamt gibt es mehr als 90 schlafmedizinische Erkrankungen, die sich in sechs Gruppen einteilen lassen. Högl führt diese in ihrem im letzten Herbst im Brandstätter Verlag erschienenen Buch „Besser schlafen“ genauer aus. Faktoren wie steigender Stress, unregelmäßige Arbeits- und demzufolge Schlafenszeiten, aber auch die zunehmende Nutzung elektronischer Geräte vor dem Schlafengehen spielen eine große Rolle. Auch die Einnahme von bestimmten Medikamenten kann die Schlafqualität beeinträchtigen.

Betroffene sollten, wenn sie eine Verschlechterung in ihrem Schlafverhalten bemerken, aber nicht sofort in Panik geraten. Ein paar Nächte schlechter zu schlafen, ist wohl fast jedem schon einmal widerfahren und der Körper kann dies meist gut wegstecken. Dauert die Phase des schlechten (Ein-)Schlafens allerdings für längere Zeit an, sollte ärztlicher Rat hinzugezogen werden. Die großen Auswirkungen von Schlafmangel sind schon nach einer schlechten Nacht an erhöhter Reizbarkeit, einer geschwächten Immunfunktion und verminderter Konzentration erkennbar: Schlafentzug kann am Steuer so gefährlich werden wie Alkoholkonsum.

Neben der medizinischen Behandlung gibt es auch zunehmend auf optimalen Schlafkomfort spezialisierte Unternehmen. Eines davon hat UNIpress sich genauer angesehen.

Prinzessin auf der Erbse: Die Suche nach der richtigen Matratze

Foto: Elias Walder

Florian von der Schlafmanufaktur begrüßt uns ausgeschlafen und bietet uns sofort einen Espresso an. Klemens Mairer und Florian Ragg sind die Gründer der Schlafmanufaktur. Ihr Geschäft in der Maximilianstraße besteht seit mittlerweile elf Jahren. Tagtäglich bemüht sich das Team um die Verbesserung des Schlafes ihrer Kundschaft. Für die Schlafberatung, die sie anbieten, um die ergonomisch am besten passende Matratze für die jeweilige Person zu finden, nehmen sie sich gerne Zeit. Eine Beratung kann auch mal zwei bis drei Stunden in Anspruch nehmen. Da kommt ein Kaffee oder ein Tee zwischendurch gerade richtig. Dass es sich hier um ein Herzensprojekt handelt, merkt man sofort, denn die Qualität stimmt. Regionalität und Nachhaltigkeit stehen bei der Verarbeitung und Beschaffung der Materialien an erster Stelle. Eine „Raketenwissenschaft” sei die individuelle Schlafberatung nicht, meint Florian. Aber dass er und Klemens Sport- und Bewegungswissenschaften studiert haben und damit Wissen zum Körper haben, ist natürlich ein Vorteil. Durch ihr Interesse haben sie sich über die letzten Jahre weitere fundierte Kenntnisse angeeignet und natürlich auch reichlich Erfahrung.

Bei der Beratung geht es nicht ausschließlich um die richtige Matratze. Das Familienunternehmen hat auch verschiedene Kopfkissen entwickelt, die auf die verschiedenen Schlaftypen wie Rücken-, Bauch-, oder Seitenschläfer angepasst sind. Besonders interessant ist der Lattenrost, der sich durch sein flexibles Material auf den Körper der schlafenden Person anpassen kann. Die Prinzessin auf der Erbse wäre neidisch. Auch eine auf die Jahreszeit und Temperatur angepasste Decke trägt zu einem angenehmen Schlaf bei. Für so eine vollständige Ausstattung braucht es natürlich das nötige Kleingeld. Das ist den beiden Geschäftsführern und Gründern auch bewusst. Dabei sollte im Hinterkopf behalten werden, dass eine gute Matratze inklusive passendem Kissen eine (beinahe) lebenslange Investition ist. Die wenigsten von uns wechseln unsere herkömmliche Matratze nach zehn Jahren – die Qualität lässt allerdings, vor allem bei den herkömmlichen Kaltschaummatratzen, in dieser Zeit stark nach. Ein anderer Grund, warum sich die Investition in eine aus natürlichen Materialien bestehende Naturkautschukmatratze für unsere Gesundheit lohnt, liegt in der Luft: Eine Großzahl an Matratzen besteht aus erdölbasierten Kunstschaum. Die chemischen Schadstoffe können im Laufe der Zeit freigesetzt werden und gelangen durch die Atemluft in den Körper der schlafenden Person, was gesundheitliche Folgen mit sich ziehen kann.

Foto: Elias Walder

Natürlich ranken sich auch viele Mythen um den guten Schlaf: Der Glaube an Vorteile durch die Nutzung schwerer Decken oder eines bestimmten Holzes für die Schlafzimmerausstattung, zum Beispiel Zirbe, ist weit verbreitet. Viele Menschen sind von einer positiven Wirkung überzeugt und es gibt zahlreiche Berichte über eine bessere Schlafqualität. Die wissenschaftliche Basis dieser Erkenntnisse ist bislang allerdings noch relativ dünn.

Märchenhafte Nächte: Schlaftrends und ihre Auswirkungen

Aufgrund von Veränderungen in der Gesellschaft haben sich auch die Schlafgewohnheiten der meisten Menschen in den letzten Jahren geändert. Interessant ist vor allem der Umgang der jungen Generation mit dem Schlaf. Professorin Högl erklärt, junge Menschen seien biologisch gesehen Nachtmenschen. Die abendliche und nächtliche Nutzung von Handys und Tablets hat nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf den Schlaf. Vor allem der Blaulichtanteil dieser Bildschirme unterdrückt die Produktion von dem umgangssprachlich als Schlafhormon bekannten Melatonin. Högl betont, dass es wichtig sei, ein Bewusstsein für diese physiologischen Unterschiede bei jungen Menschen zu schaffen und die negativen Auswirkungen auf den Schlaf zu minimieren.

In der heutigen Zeit beeinflussen auch Trends in den sozialen Medien die Schlafgewohnheiten, vor allem die von jungen Menschen. Dabei ist häufig die Rede vom „5am Club“ oder von Powernaps von Profisportlern kurz vor einem wichtigen Wettkampf. Es gibt aber auch noch extremere Beispiele. Eines davon zeigen wir der Professorin: eine Content-Creatorin (@vanessaintveld) auf Instagram mit einer Reichweite von über 35 000 Abonnenten, deren Profilbeschreibung mit „eure 3 Uhr Mausi“ schon auf ihre Inhalte schließen lässt. Der Inhalt des Reels stößt bei der Expertin Högl auf scharfe Kritik: „Kompletter Bullshit“, lautet ihre erste Reaktion auf solche Trends. Diese Praktiken seien „komplett antiphysiologisch“. Sie sind also genau das Gegenteil von dem, was unser Körper braucht und sollten nicht nachgeahmt werden. Menschen brauchen 7 bis 9 Stunden Schlaf pro 24 Stunden. Wenn man nun um 3 Uhr früh aufsteht, müsste man also schon um 18 oder 19 Uhr zu Bett gehen. Das ist bei extremen Lerchen der Fall – die sind allerdings sehr selten. Högl erklärt, dass es ganz wenige Menschen mit diesem extrem vorgelagerten Schlafrhythmus gibt, was auch mit genetischen Faktoren zusammenhängen kann. Der Ratschlag, den die Creatorin im Video gibt, „es einfach mal selbst auszuprobieren“ sollte mit Vorsicht genossen werden. „Ihren Schlafstil soll sie keinen anderen Leuten aufzwingen“, betont Högl nachdrücklich. Abgesehen davon, dass die Uhrzeiten kein gewöhnliches soziales Leben zulassen.

Einen Rat an uns Studierende hat Högl auch noch in Petto: „Zeit zum Schlafen ist gut investierte Zeit.“ Ausreichend Schlaf fördert nicht nur die geistige Leistungsfähigkeit, sondern auch ein sicheres Treffen von Entscheidungen. Ansporn, vor allem in der Prüfungsphase ausreichend zu schlafen, geben viele Studien, die die Gedächtnisleistung überprüft haben. Auszuschlafen sollte also kein Privileg sein, sondern ein gutes Recht. Bis dieses Wissen wieder in unsere Lebenswelt eindringt, wird noch einige Zeit vergehen. Regelmäßiges Aufstehen um 3 Uhr morgens wird sich jedoch hoffentlich nie etablieren.

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